RA Markus Kompa

AWD entdeckt das Internet

Auch der Finanzvertrieb AWD hat nun die Blogosphäre entdeckt. Genau eine Woche nach uns(!), nämlich am 27.Juni 2008, begannen „Mitarbeiter“ des AWD zu bloggen, und zwar im awd-karriereblog.de. (Wir vermuten mal stark, dass es sich bei den „Mitarbeitern“ (Synonym für Angestellte) um „selbständige Handelsvertreter“ handelt …)

Im Beitrag „Bildung aus der BILD“ vom 10.August 2008 ärgert sich Bloggerin Lydia Schöneberger über den (zugegebenermaßen lapidaren) Spruch

“Anders, als man vom Namen her vermuten könnte, befasst sich der “Allgemeine Wirtschaftsdienst” nicht mit Gastronomie, sondern mit Klinkenputzen im Finanzbereich”.

Dieses (leider nicht verlinkte) Statement fanden die AWD-Blogger wohl bei Finanzparasiten.de, deren Website im Google-Ranking auf Platz 2 direkt nach dem Firmenauftritt gelistet wird. So heißt es bei den AWD-Bloggern:

Geistreiche Äußerungen wie diese sind noch zu vernachlässigen: “Anders, als man vom Namen her vermuten könnte, befasst sich der “Allgemeine Wirtschaftsdienst” nicht mit Gastronomie, sondern mit Klinkenputzen im Finanzbereich”. Anders sieht es bei verbalen Ergüssen aus, die nicht einmal mehr Halbwahrheiten, einzig völlige Unkenntnis dokumentieren. Pauschalste Aussagen sind vorherrschend und reihen sich damit nahtlos in die Riegen “alle Polen klauen, alle Deutschen essen Sauerkraut, alle Blonden sind doof, alle Opel-Fahrer sind……….” ein – die jeder intelligente Mensch nur ablehnen kann.

(…) Nach fünf Jahren im Unternehmen weiß ich, wie der Hase läuft. Dass nicht nur “ausgebildet”, sondern AUSGEBILDET wird, dass Seminare nicht kostenpflichtig sind, meistens noch nicht einmal die Verpflegung, (…)

Huch?! Seminare beim AWD sind nicht kostenpflichtig? Im selben Blog lesen wir am unter Hohe Kosten als Finanzberater bei AWD??? vom 31.Oktober 2008:

Es gibt natürlich auch immer wieder Angebote für weitere Seminare oder Trainings – diese suchen sich meine Berater gemeinsam mit mir aus – die Kosten trägt der selbständige selbst – jedoch gibt es auch hier Ausnahmen.

Ja, wie denn nun?

Zumindest beziehen wir unser Wissen nicht aus der BILD, sondern unsere Bildung geht anscheinend konform mit der des AWD-Karriere-Blogs … 😉

Weiter schreibt Frau Schöneberger:

Ich kann den Menschen, die meinen, ihr fundiertes Wissen und ihre überaus große Kenntnis des AWD zum Besten geben zu müssen nur anbieten, mich eine Woche zu begleiten. Danach dürfen sie ein Urteil fällen.

Nichts gegen solide Recherche, aber wie Finanzstrukturvertriebe von innen aussehen, das wissen vor allem ehemalige Strukkis – und natürlich wir als deren Anwälte. Das Angebot der AWD-Bloggerin Lydia Schöneberger, sie eine Woche lang zu begleiten, übt daher auf uns (insoweit …) keine allzu große Anziehungskraft aus. Wir bieten ihr allerdings an, sie vor Gericht zu begleiten, falls sie sich mal beruflich verändern möchte … In diesem Bereich stammt unsere Bildung nämlich aus erster Hand.

Was die AWD-Blogger nicht schreiben: Es handelt sich bei der AWD-Seite von finanzparasiten.de um die Einleitung zu einer Linksammlung auf Artikel namhafter Publikationen, wie Spiegel, Focus, Stern, Süddeutsche, Capital, Finanztest, Manager Magazin … Die BILD-Zeitung ist als Quelle offensichtlich nicht dabei. Die schreibt nämlich eher so etwas.

AWD bekommt in Österreich Gegenwind

Finanzparasiten.de konnte diese Woche einen ungewöhnlichen Anstieg der Zugriffszahlen verzeichnen. Grund düfte die aktuelle Medienpräsenz des Finanzvertriebs AWD sein. Wie von uns berichtet hatte „Plusminus“ die Beratungsqualität der Hannoveraner „Finanzexperten“ thematisiert.

Hoch her geht es derzeit in der AWD-Kolonie Österreich zu, wo die Politik den AWD als Thema entdeckt hat. So will der Grüne Peter Pilz dem Pyramidensystem den Boden entziehen und fordert gar ein Verbot. Von „Fußtruppen“ und „AWD-Keilern“ ist in der Alpenrepublik die Rede. Der AWD wehrt sich natürlich gegen diesen „Populismus“ und preist seine angeblichen Beratungsstandards. Wie bekannt wurde, ist Pilz selbst ein AWD-Beratungsopfer.

Wir meinen: Eigentlich könnten die Vermögensberater gar nicht oft genug Politiker beraten … 😛

Passend zum Thema hat ein Österreicher Gericht gerade einen Haftungsfall zulasten des AWD entschieden.

AWD-Eminenz Carsten Maschmeyer scheint dies nicht aus der Ruhe zu bringen: Gerade ließ er sich als edler Spender feiern, indem er aus seiner Privatschatulle eine Million für die BILD-Aktion „Ein Herz für Kinder“ springen (und die Stars für sich tanzen) ließ. Ob die AWD-Strukkis, von denen viele branchentypisch selbst finanziell schlecht aufgestellt sind, davon auch so begeistert sind?

Handelsvertreter in Finanzvertrieben: Scheinselbständige?

Das Versicherungsjournal thematisiert heute in dem Artikel Gespenst Scheinselbständigkeit die umstrittene Frage, ob es sich bei in Finanzvertrieben organisierten Handelsvertretern nicht in Wirklichkeit um abhängigen Beschäftigte handelt – was für die Finanzvertriebe als Arbeitgeber natürlich Lohnnebenkosten auslösen würde.

Die Frage muss für jeden Finanzvertrieb gesondert betrachtet werden. So lässt die DVAG etwa ihren Leuten eine lange Leine, während die MLP AG zum Beispiel eine von Gerichten als „straff“ bezeichnete Organisationsform aufweist. Das Versicherungsjournal verlinkte das nicht ganz ununmstrittene www.mlpwatchblog.com, das letzte Woche drei Einschätzungen von Versicherungsgesellschaften ins Netz stellte:

Das Versicherungsjournal scheint zur Annahme echter Selbständigkeit zu tendieren.

Bereits gestern hatte das Blog nachgelegt und veröffentliche ein Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim, das Außenstehenden interessante Einblicke in die seltsame Arbeitswelt der Finanzvertriebe gewährt.

Möge der geneigte Leser doch selbst entscheiden, ob er die Tätigkeit eines Strukkis für die eines selbständigen Unternehmers halten will oder nicht!

Was bin ich? Handelsvertreter sind keine Makler

In Finanzvertrieben eingebundene Handelsvertreter behaupten immer wieder, sie seien Makler oder faktisch Makler. Als solche stünden sie im Lager der Kunden und wären der strengen Maklerhaftung ausgsetzt.

Um es vorweg zu nehmen: Mumpitz. Handelsvertreter sind Handelsvertreter, und die wahren nun einmal laut Gesetz die Interessen des vermittelten Versicherers, vgl. § 84 HGB („Unternehmer“).

Es gibt bei den Finanzvertrieben das strukturelle Problem, dass viele Rechtsfragen, die auf die normale Dreierbeziehung „Kunde“ – „Vermittler“ – „vermittelter Versicher“ nicht ohne weiteres auf die Konstruktion der „vierten Partei“, dem Finanzvertrieb, übertragen werden können. Es gibt hier viele Zwitterkonstellationen. So spielen die Finanzvertriebe gegenüber den Handelsvertretern mal die Rolle des „Quasi-Arbeitgebers“, mal die Rolle des selbständigen Partners. Gegenüber den Versicherern nehmen Finanzvertriebe die Rolle des Maklers ein, denn denen gegenüber benötigen sie auch eine Maklerlizenz.

Die einzelnen Handelsvertreter jedoch sind keine BGB-Makler und sind auch nicht entsprechend dem Kunden zu Loyalität verpflichtet, s.o. Die einzelnen Handelsvertreter haften praktisch nie persönlich, wie es ein Makler täte, der wiederum verpflichtet ist, das gesamte Marktspektrum zu berücksichtigen, was der Finanzvertrieb selbst könnte, nicht aber dessen Handelsvertreter, denen nur vom Finanzvertrieb lizensierte Produkte zur Vermittlung erlaubt sind. In vielen Finanzvertrieben wissen die Strukkis auch nicht, welchen Schnitt der Finanzvertrieb an diesen Produkten macht.

Nun argumentiert heute in einer Internet-Diskussion so eine verirrte Seele, Strukkis seien faktisch Makler und beruft sich unter hartnäckiger Verweigerung einer inhaltlichen Diskussion auf ein Urteil des Landgerichts Ulm 10 O 87/07 KfH vom 28. August 2007. Obwohl dieses Urteil in deutscher Sprache verfasst ist und nicht am juristischen Hochreck turnt, scheint mancher damit überfordert zu sein. Daher werde ich es an dieser Stelle kurz erklären.

In dem Fall hatte die Klägerin (eine Strukkibude) erfolglos versucht, ihrem Handelsvertreter per einstweiliger Verfügung verbieten zu lassen, sich „als Makler zu gerieren“ (als Makler auszugeben).

Spätestens auf S. 10 („II.“) müsste einem aufgeweckten Leser also klar sein, dass hier gar nicht der typische Strukki-Fall vorliegt. Hier hatte nämlich ein Handelsvertreter im eigenen Namen ein Geschäft mit einem Kunden gemacht. Schuldner der „Beratungsleistung“ war in diesem konkreten Fall allein der Handelsvertreter gewesen, nicht die Strukkibude. Mit anderen Worten: Der Strukki hatte seine Strukkibude umgangen. Der im konkreten Fall betroffene Strukki hatte sogar einen Antrag auf Registrierung als Versicherungsmakler gestellt. Das ist etwas völlig anderes als ein Handelsvertreter.

Da es die Strukkibude war, die ihrem eigenen Mann die Bezeichnung „Makler“ verbieten wollte und (erfolglos) behauptete, an dem Geschäft teilzunehmen, sollte langsam klar sein, dass sogar die Finanzvertriebe ihre Leute nicht als Makler verstanden wissen wollen.

NICHT „geklärt“ hat das Gericht übrigens, ob sich der Strukki schon „Makler“ nennen durfte. Das Gericht hat lediglich entschieden, dass die Strukkibude keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen ihn hatte (S. 11). Mit anderen Worten: Wenn der Handelsvertreter im eigenen Namen mit den Kunden Geschäfte macht und diese betrügt, dann geht das die Strukkibude insoweit nichts an.

Die meisten Leute lesen aber nicht bis S. 11, sondern schaffen es nur bis S. 8, wo sie lesen:

Nach den Definitionen des VVG ist der Verfügungsbeklagte Versicherungsmakler. Denn er ist nicht von einem Versicherer oder einem Versicherungsmakler mit der Vermittlung/dem Abschluss von Versicherungsverträgen betraut.

Ist er auch nicht. Denn der Strukki trat selbst als Geschäftspartner auf und ließ den Finanzvertrieb außen vor. (In den meisten Handelsvertreter-Verträgen ist vereinbart, dass man während der Vertragsdauer keine solche Geschäfte im eigenen Namen tätigen darf. Das hätte also die klagende Strukkibude höchstwahrscheinlich verbieten wollen. Sie hatte aber nicht entsprechend vorgetragen, sondern war von ihrer Beteiligung ausgegangen, ohne diese jedoch ausreichend glaubhaft zu machen.)

Handelsvertreter einer Strukkibude sind aber nunmal von der Versicherungswirtschaft damit betraut, Versicherungsverträge zu vermitteln. Daran ändert auch ein zwischengeschalteter Finanzvertrieb nichts.

Makler wären verpflichtet, im Auftrag des Kunden das gesamte zumutbare Marktspektrum in ihre Empfehlung einzubeziehen und erhalten hierfür vom Kunden eine vereinbarte Courtage. Sie werden für den Kunden tätig. Makler bekommen auch nicht von Premiumpartnern Incentives und ähnliche verdeckte Provisionen.

Handelsvertreter hingegen verpflichten sich dem Finanzvertrieb und dessen Partnerversicherungen. Sie haben in der Regel nur ein Spektrum an vom Finanzvertrieb lizensierten Versicherern zur Auswahl. Handelsvertreter bekommen ihr Geld nicht direkt vom Kunden, sondern vom Versicherer, wobei der Finanzvertrieb das Geschäft abwickelt und sich seine Provision abgreift. Die Loyalität des Handelsvertreters gebührt der Hand, die ihn füttert, also seinem Finanzvertrieb und den Versicherern. So steht es auch geschrieben!

Wenn also fromme Strukki-Jünger, die ihre Produkte anhand von Provisionstabellen bewerten, mit stolz geschwellter Brust auf Wikipedia verkünden, sie würden ihren Kunden gegenüber wie ein Makler haften, so kann man sich einen Reim darauf machen, welche Beratungsleistungen man von diesen Talenten zu erwarten hat.

„Sowas habe ich bei MLP noch nicht erlebt“

Heute habe ich in einem Blog dieses neckische Statement gelesen:

Kleine Episode aus eigener Erfahrung mit beiden Unternehmen:
AWD wird – wenn man als Kunde nicht unterschreibt und abschließt – schon mal ziemlich unangenehm. Da wird psychologischer Druck aufgebaut und die Freundlichkeit verschwindet. Sowas habe ich bei MLP noch nicht erlebt!

Der Autor zieht dann die bemerkenswerte Schlussfolgerung, dass MLP der bessere Laden sei.

Richtig an dieser Beobachtung ist, dass zumindest früher bei MLP gewisse Voraussetzungen an das Personal gestellt wurden, während beim AWD praktisch jeder eine Karriere als Finanzberater beginnen kann. Da gibt es Karrieren von hinter der Wursttheke zum Business-Woman – und retour. Bei den badischen Klinkenputzern bevorzugte man zwecks Identifikation mit der Zielgruppe Hochschulabsolventen, gerne mit Doktortitel.

Rührend aber wird es, wenn dieser Autor dann vom persönlichen Verhalten seines Provisionsvermittlers auf dessen Qualität schließt und sich bei MLP gut zu fühlen scheint. Über all zuviel Lebenserfahrung scheint der Autor nicht gerade zu verfügen. Ein Freund von mir, der russische Geschäftspartner berät, sagt diesen immer: „Wenn die Deutschen freundlich sind, dann wollen Sie Dich reinlegen!“ (Wobei ich natürlich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass MLP-„Berater“ lügen ,auch wenn man gelegentlich in Wiesloch zur Wahrheit gelegentlich ein sehr taktisches Verhältnis pflegt.) Wenn der Geschäftspartner jedoch pampig wird, dann weiß man wenigstens, woran man ist.

Kommen wir auf die eingangs diskutierte Frage zurück: Ist AWD oder MLP der bessere Laden? Nun ja, falls Sie einen nennenswerten Unterschied in der Beratungsleistung beider Provisionsjäger-Organisationen kennen, lassen Sie es uns bitte wissen …

Exodus beim AWD

Der AWD ist bislang in unserem Blog reichlich kurz gekommen. Gleiches Recht für alle!

„Dem AWD laufen die Kunden und Vermittler weg“ titelt heute das Versicherungsjournal:

Die Anzahl der beratenen Kunden war im Vergleich zum Vorjahresquartal um mehr als 20.000 oder knapp 14 Prozent auf 130.800 gesunken, während die Vermittlerzahl in den ersten drei Monaten von 6.493 um 320 auf 6.173 zurückgegangen war.

Und weiter:

Der Umsatz zwischen April und Juni ging im Vergleich zum zweiten Quartal 2007 vergleichsweise moderat um knapp 16 Prozent auf 159 Millionen Euro zurück.

In einem weiteren Artikel vom gleichen Tage heißt es „Es geht auch ohne bestandene Sachkundeprüfung“

Sonderfall Schweiz

Da die Schweiz weder der EU noch dem EWR angehört, mussten Vermittler aus der Schweiz bislang eine deutsche Erlaubnis beantragen. Ab sofort ist diese Pflicht für Schweizer Vermittler entfallen. Das vom deutschen Bundeskabinett beschlossene 3. Mittelstandsentlastungs-Gesetz und ein neues bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland beseitigen diese Hürde.

Schweizer Vermittler oder für Schweizer Firmen tätige Vermittler benötigen keine gesonderte Erlaubnis oder Registrierung in Deutschland mehr. Auch in den § 34 d Abs. 5 der deutschen Gewerbeordnung soll die Schweiz neu aufgenommen werden.

Das passt den neuen Schweizer Eigentümern des AWD natürlich ganz praktisch ins Konzept:

Ob die Registrierung in der Schweiz die Registrierung in Deutschland in Form von internationalen Vermittlern unterläuft gilt es, abzuwarten. Auffällig ist zum Beispiel, dass sehr viele AWD-Vermittler in der Schweiz registriert sind.

Da wurde wohl mal wieder nichts ausgelassen, um den Verbraucherschutz zu umgehen. Pflichtlektüre ist in diesem Zusammenhang der Artikel „Eine Lachnummer“ von Lutz Reiche im manager magazin.

Die verlorene Ehre der MLP AG

Finanzvertriebe verbieten ihrem Vertriebspersonal oft im Kleingedruckten in den Handelsvertreter-Verträgen, schlecht über das Unternehmen zu reden, was auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiterhin gelten soll. Schließlich sollen ja auch künftige Handelsvertreter ihre schlechten Erfahrungen selber machen.

Dass man sich bei MLP mit der Meinungsfreiheit schwer tut, ist bekannt. Dieses Jahr nun hatte MLP unsere Kollegin, Rechtsanwältin Frau Jakobs, die an diesem Blog mitwirkt, wegen Äußerungen verklagt, die sie vor Gericht in Ausführung ihrer Tätigkeit für MLP-Aussteiger machte. Sie verglich in Prozessen die doch reichlich spezielle Firmenkultur bei MLP mit den Strukturen einer Sekte. Wäre dieser Vorwurf haltlos, so hätte man sich hiergegen mit Argumentation wehren können. Offenbar beurteilte MLP entsprechende Erfolgsaussichten selbst als schwach. Alternativ hätte sich die gekränkte MLP AG auch bei den betroffenen Richtern beschweren können, denen die Sitzungsleitung obliegt.

Stattdessen aber strengte sie einen zivilrechtlichen Prozess an, welcher der Anwältin den Vergleich ein für alle mal untersagen sollte. Erstaunlicherweise erwirkte MLP beim Landgericht Wiesbaden tatsächlich eine einstweilige Verfügung. Beim Widerspruchstermin kam es zu einem Eklat, als sich gerausstellte, dass der entsprechende Richter befangen gewesen war. Letztlich musste das Landgericht Wiesbaden die Verfügung wieder aufheben, denn weder war es zuständig, noch darf man Anwälten pauschale Maulkörbe verpassen. Anwälte nehmen nämlich vor Gericht „besondere Interessen“ wahr. Wenn sie die Form wahren und sachlich bleiben, dürfen sie vor Gericht vortragen, was sie für richtig halten.

Für MLP war die Blamage offenbar noch nicht peinlich genug, denn MLP hat umgehend die Hauptsacheklage eingereicht und ist wegen der Entscheidung im Verfügungsverfahren in Berufung gegangen. Gerichte werden demnächst also klären, wie vergleichbar MLP mit einer Sekte ist! Mehr PR konnte MLP der Kollegin kaum liefern – gratis natürlich!

Heute diente der skurrile Rechtsstreit vor dem Landgericht Wiesbaden als Einstieg in einen Artikel der Financial Times Deutschland, der sich gewaschen hat: Die Talfahrt von MLP.

AWD-Maschmeyer kapert MLP

Die Wieslocher MLP AG galt bis 2002 als der Edelste unter den Finanzvertrieben. Man stellte als Vertriebspersonal möglichst ausschließlich Akademiker ein, die mit der bevorzugten akademischen Klientel auf einer Wellenlinie lagen. Um sich von den klassischen Versicherungsvertretern abzugrenzen, aber auch um Akademiker bereits auf der Uni abzufischen und den Studierenden die Identifikation zu erleichtern, verzichtete man auf Krawatte und ähnliche Anachronismen. Stattdessen herrschte bei MLP eine „Jeans-Philosophie“. Mehr noch: Alle MLPler hatten sich zu Duzen, inklusive Vorgesetzte und so weiter.

MLP-Gründer Manfred Lautenschläger ließ es sich nicht nehmen, die Welt mit einer nicht anders als peinlich zu bezeichnenden Biographie mit dem „bescheidenen“ Titel „Mythos MLP“ zu beglücken. In seinem Buch wettterte Lautenschläger nach Kräften gegen seine Konkurrenten, die Strukturvertriebe. Namentlich nannte er Carsten Maschmeyers AWD und die DVAG, an der er kein gutes Haar ließ.  Vom Mythos blieb nach dem MLP-Skandal von 2002 nur der auf 10% zusammengesackte Börsenwert übrig.

Bereits damals ließ MLP die Öffentlichkeit wissen, hinter der schlechten Presse stecke eine Intrige einer englischen Investmentbank, die eine feindliche Übernahme einstiele. Die Geschichte, die von vielen Fachleuten als durchsichtige Abwehr-PR gedeutet wird, bleibt bis heute rätselhaft. So soll eine englische Bankerin einen verheirateten MLP-Vorstand verführt und dann erpresst haben. Im Büro des damaligen MLP-Chefs will man eine Wanze gefunden haben, was den Verdacht auf Insidergeschäfte hätte entkräften können – trotzdem gab es keine Freisprüche.

Letztes Jahr führten MLP und AWD ausgedehnte Verhandlungen über eine Fusion. Eine zwielichtige Rolle spielte dabei MLP-Finanzvorstand Nils Frowein, der zuvor für den AWD gearbeitet hatte. Nach den gescheiterten Übernahmeverhandlungen beendete er unter geheimnisvollen Umständen seine Vorstandstätigkeit abrupt. Schon kurze Zeit später ward er wieder in den Diensten des AWD gesehen. Nicht wenige halten Frowein daher für ein „U-Boot“.

Nun griff Maschmeyer erneut nach MLP. Durch den Verkauf seiner AWD-Aktien an den Versicherer Swiss Life war Maschmeyer liquide genug, über Nacht ca. 27% der MLP-Aktien zu erwerben. Dies fiel nicht auf, da zur Tarnung unter anderem eine Bank dazwischengeschaltet war, und weil Maschmeyer als gewiefter Geschäftsmann die Kunst des Schweigens beherrscht: Es hat den Anschein, dass Maschmeyer den Deal nicht mit Swiss Life abgestimmt und diese ihn heute leicht zurückgepfiffen hat. Jedenfalls die Börse hielt nichts von dem MLP-Abenteuer und reduzierte den Aktienkurs von Swiss Life um 10%. Angesichts der schwachen Zahlen, die MLP gegenwärtig vermeldet, darf man Zweifel anmelden, ob der Kaufentscheidung rationale Argumente zugrunde lagen.

Maschmeyer begründet seinen Deal mit seiner Vision, die Nummer 1 der Finanzvertriebe werden zu wollen – weltweit. Die Nummer 2 in Deutschland ist bereits sein AWD, dem er noch immer vorsitzt. Personell ungleich größer ist nach wie vor die DVAG. Die interessanteste Klientel bedient aber nun einmal MLP, da Akademiker typischerweise die höheren Einkommen haben. Allerdings sind bei MLP die guten Zeiten unübersehbar vorbei, die Stimmung tendiert in Richtung Nullpunkt, die besten Leute wandern seit langem ab.

Für kündigende MLPler, die an den Flair ihres „elitären“ Unternehmens geglaubt haben, bricht in dem Moment eine kleine Welt zusammen, in dem sie erstmals ein Anschreiben erhalten, in dem sie gesietzt werden: Sie gehören nicht mehr zur Familie, sind Abtrünnige. Für Aussteiger zeigt man in Wiesloch wenig Verständnis. Im Umgang mit Ehemaligen nehmen sich die ganzen Finanzvertriebe wenig. Zu verschenken hat man nichts, weder in Wiesloch, Hannover oder Frankfurt. Handelsvertreter, die glauben, sie hätten Ansprüche auf ausstehende Provisionen, mögen Recht behalten – aber nicht ohne weiteres bekommen.

Siehe auch: Die MLP AG und die Meinungsfreiheit

Cleverer Berater

Ein Mandant hat 3.000,- Euro über und fragt einen Berater nach einer guten Geldanlage. Ein Jahr später müssen der Mandant und seine Lebensgefährtin Privatinsolvenz anmelden sowie die bezahlte Eigentumswohnung verlassen.

Wie kann so etwas passieren?

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