Ausgleichsanspruch

„Alte“ Deutsche Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters europarechtswidrig

Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses verliert ein Handelsvertreter den von ihm aufgebauten Kundenstamm an den Unternehmer, ohne dass er für neu abgeschlossene Geschäfte eine Provision erhält. Als Ausgleich für die im Aufbau eines Kundenstamms liegende Leistung des Handelsvertreters, die nach Vertragsbeendigung zugunsten des Unternehmers weiterwirkt, sieht § 89b HGB eine zusätzliche Vergütung vor. Um den Anspruch erfolgreich geltend machen zu können, müssen für den Unternehmer erhebliche Vorteile entstehen, die aus einer Geschäftsbeziehung zu Kunden resultieren, die der Handelsvertreter während seiner Vertragszeit neu geworben oder deren Geschäftsbeziehung er wesentlich erweitert hat.

Als Kehrseite der Vorteile für den Unternehmer entstehen dem Handelsvertreter Provisionsverluste. Der Umfang der Provisionsverluste richtet sich danach, was dem Handelsvertreter ohne Vertragsbeendigung zugestanden hätte. Der Ausgleichsanspruch konnte nach bisherigem Deutschen Recht nicht höher sein als die Vorteile des Unternehmers oder der Provisionsverlust für den Handelsvertreter.

Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die deutschen Regelungen des HGB zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB) gegen europäisches Recht verstoßen (hier die Europäische Handelsvertreter-Richtlinie (Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 18.12.1986).

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entgegen dem Wortlaut des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden darf, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Nach Ansicht des EuGH führt die deutsche Regelung dazu, dass der Ausgleichsanspruch an die Höhe des Provisionsverlusts gekoppelt und somit im Zweifel nach unten angepasst wird. Dies widerspricht jedoch dem von der Richtlinie bezweckten Schutz des Handelsvertreters. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann daher nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Das bisherige deutsche Recht verstößt daher gegen die europäischen Vorgaben und muss angepasst werden. Außerdem wird sich die deutsche Rechtsprechung anpassen müssen. Die Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung zu bekommen, dürfte in manchen Fällen wahrscheinlicher werden.

 

Die Entscheidung des EuGH im Volltext

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Semen, Pächter einer Tankstelle, und der Deutschen Tamoil GmbH (im Folgenden: Deutsche Tamoil) über die Höhe des Ausgleichs wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, den dieses Unternehmen Herrn Semen aufgrund der Kündigung seines Vertrags schuldet.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 17 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.

b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Aus-gleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.

c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

…“

Nationales Recht

4 § 89b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung setzt Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie in das nationale Recht um. Er lautet:

„Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertrags-verhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,

2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und

3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

5 Herr Semen war vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Pächter einer Tankstelle der Deutschen Tamoil in Berlin. Dort verkaufte er im Namen und für Rechnung dieses Unternehmens vor allem Kraftstoffe und Schmierstoffe, aber auch Telefonkarten unterschiedlicher Netzbetreiber, die es ihm zur Verfügung stellte.

6 Die Deutsche Tamoil gehört zur staatlichen libyschen Oilinvestgruppe, die in Deutschland ein Tankstellennetz von etwa 250 Stationen, sowohl unter der A-Marke „Tamoil“, ihrer Firma, als auch unter der – preisgünstigeren – B-Marke „HEM“, be-treibt.

7 Die Tankstelle von Herrn Semen war eine „HEM“-Station. Seine Provision bemaß sich bei Kraftstoffen nach der verkauften Menge („Literprovision“), bei Ölen nach dem Umsatz. Tankten Besitzer von Tankkarten, denen die Deutsche Tamoil Nachlässe gewährte, stand Herrn Semen nur eine geringere Provision zu.

8 Das Landgericht Hamburg wurde zur Entscheidung über den Herrn Semen zu zahlenden Ausgleich nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der Deutschen Tamoil angerufen.

9 Nach der deutschen Rechtsprechung haben die drei Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 HGB kumulativen Charakter und begrenzen einander. Der Ausgleich kann daher nicht höher als der niedrigste Betrag sein, der sich unter einer der drei Nummern ergibt.

10 Gestützt auf diese Rechtsprechung neigt das Landgericht dazu, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, nach der Provisionsverluste des Handelsvertreters nur ein Element im Rahmen der Billigkeitsprüfung darstellen, auch zulässt, die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen als Obergrenze des Ausgleichs zu betrachten.

11 Da das Landgericht Hamburg im Hinblick auf diese Auslegung des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie jedoch Zweifel hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist es mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vereinbar, dass der Ausgleichs-anspruch des Handelsvertreters durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind?

2. Gehören hierzu bei einem Konzern, dem der Unternehmer angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

12 Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

13 Hierzu ist einleitend festzustellen, dass Art. 17 der Richtlinie mit dem Blick auf die Ziele dieser Richtlinie und das damit eingeführte System auszulegen ist (vgl. Ur-teil vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali, C-465/04, Slg. 2006, I-2879, Randnr. 17).

14 Weiter steht fest, dass die Richtlinie die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Handelsvertretervertrags zum Ziel hat. So soll sie insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmern schützen und legt zu diesem Zweck u. a. in den Art. 13 bis 20 Regeln über Abschluss und Beendigung des Handelsvertreter-vertrags fest (Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnrn. 18 und 19).

15 Was die Beendigung des Vertrags betrifft, wird mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie ein System geschaffen, das den Mitgliedstaaten ermöglicht, zwischen zwei Lösungen zu wählen. Sie haben nämlich die erforderlichen Maßnahmen dafür zu ergreifen, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrags entweder Anspruch auf einen nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 2 bestimmten Ausgleich oder auf nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 3 bestimmten Schadensersatz hat.

16 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich für die in Art. 17 Abs. 2 vorgesehene Lösung entschieden.

17 Nach ständiger Rechtsprechung ist das mit Art. 17 der Richtlinie geschaffene System, insbesondere was den Schutz des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung betrifft, zwingendes Recht (Urteil vom 9. November 2000, Ingmar, C-381/98, Slg. 2000, I-9305, Randnr. 21, und Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 22).

18 Daher haben die Mitgliedstaaten, was den Ausgleich wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses betrifft, nur innerhalb des durch die Art. 17 und 18 der Richtli-nie festgelegten Rahmens einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Methoden zur Berechnung des Ausgleichs (Urteil Ingmar, Randnr. 21, und Urteil Honyvem In-formazioni Commerciali, Randnr. 35).

19 Das in Art. 17 der Richtlinie geregelte Verfahren läuft in drei Stufen ab. Auf der ersten geht es zunächst um die Quantifizierung der Vorteile des Unternehmers aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie. Auf der zweiten Stufe wird dann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich geprüft, ob der Betrag, der sich auf der Grundlage der genannten Kriterien ergeben hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Handelsvertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht. Schließlich wird auf der dritten Stufe der Ausgleichsbetrag an der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Höchstgrenze gemessen, die nur dann relevant ist, wenn der sich aus den vorstehenden beiden Berechnungsstufen ergebende Ausgleichsbetrag sie übersteigt.

20 Da die Provisionsverluste demnach nur einen von mehreren Gesichtspunkten darstellen, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung relevant sind, ist es Sache des nationalen Gerichts, auf der zweiten Stufe seiner Bewertung zu prüfen, ob der dem Handelsvertreter gewährte Ausgleich letztlich billig erscheint und ob und gegebenenfalls inwieweit er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anzupassen ist.

21 In Anbetracht des in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils dargelegten Ziels der Richtlinie ergibt sich aus diesem System, dass eine Auslegung von Art. 17 der Richt-linie, wie sie das nationale Gericht vertritt, nur zulässig ist, wenn sich ausschließen lässt, dass sie sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweist.

22 In diesem Zusammenhang ist außerdem festzustellen, dass der Gerichtshof bereits auf den Bericht über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie (KOM[96] 364 endg.) Bezug genommen hat, den die Kommission am 23. Juli 1996 vorgelegt hat. Dieser Bericht enthält detaillierte Angaben über die tatsächliche Berechnung des Ausgleichs und soll eine einheitlichere Auslegung dieser Vorschrift erleichtern (vgl. Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 35). So werden in diesem Bericht verschiedene Faktoren angeführt, die bei der Billigkeitsprüfung in der Praxis zu be-rücksichtigen sind und von denen einige für einen höheren Ausgleich sprechen.

23 Im Licht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass der Gestaltungsspiel-raum, über den die Mitgliedstaaten verfügen, um den dem Handelsvertreter bei Vertragsbeendigung zustehenden Ausgleich aus Billigkeitsgründen gegebenenfalls an-zupassen, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass dieser Ausgleich ausschließlich nach unten angepasst werden darf. Denn eine solche Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie, die es ermöglichte, jede Erhöhung dieses Ausgleichs von vornherein auszuschließen, wäre eine Auslegung zum Nach-teil des Handelsvertreters, dessen Vertrag endet.

24 Daraus folgt, dass die in Randnr. 9 des vorliegenden Urteils dargelegte deutsche Rechtsprechung, die es von vornherein ausschließt, dass der Ausgleich im Rahmen der Anwendung des Billigkeitskriteriums bis zur Höhe der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Obergrenze erhöht wird, wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher sind als die geschätzten Provisionsverluste des Handelsvertreters, fehlgeht.

25 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unter-nehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Zur zweiten Frage

26 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichs-anspruchs des Handelsvertreters zu berücksichtigen sind.

27 Für die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richt-linie ist zunächst auf den Wortlaut der Bestimmung abzustellen.

28 Insoweit ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung ausschließlich auf die Vertragsbeziehungen „Kunden/Unternehmer“ und die Vorteile des „Unternehmers“ aus den Geschäften mit diesen Kunden bezieht. Die am Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie orientierte Auslegung führt daher zu der Schlussfolgerung, dass nach dieser Bestimmung Vorteile Dritter bei der Berechnung der „Vorteile des Unternehmers“ nicht berücksichtigt werden dürfen.

29 Diese Auslegung – ausschließlich die Beziehung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter zu berücksichtigen – wird durch die systematische Auslegung dieser Bestimmung bestätigt.

30 Die in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Obergrenze des Ausgleichsbetrags wird nämlich anhand der vom Handelsvertreter erhaltenen Vergütungen berechnet. Wie die italienische Regierung vorgetragen hat, werden die Vergütungen, auch wenn der Unternehmer einem Konzern angehört, stets ausschließlich vom Unternehmer und nicht von den anderen Konzerngesellschaften bezahlt.

31 Schließlich ist festzustellen, dass die Richtlinie nach ihrem zweiten Erwägungs-grund die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll. Dieses Ziel schließt es grundsätzlich aus, Vorteile Dritter zu berücksichtigen, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter dies nicht vorsieht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Handelsvertretervertrag insoweit nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.

32 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.

Kosten

33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisions-verluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, falls der Unter-nehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vor-teile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.

 

Peinlich für die Anwaltschaft

Ein Handelsvertreter bemühte sich um den Ausgleichsanspruch. Was macht man am besten? Richtig, man sucht einen Anwalt auf. Besser noch zwei, am besten gleich drei.

Der Ausgleichsanspruch ist ein schwieriges Thema. Vielleicht wäre die Beratung des einen oder anderen Anwaltes sinnvoll, zu sagen, dass man einfach davon keine Ahnung hat. Dann wäre uns Anwälten folgende Geschichte erspart geblieben:

„Ich hatte hierzu drei anwaltliche Beratungen. Im ersten Fall wurden mir Ansprüche in Höhe von ca. 250 T€ in Aussicht gestellt, man wollte sofort den Honorarsatz danach bemessen. Im zweiten Fall überließ ich dem Anwalt alle Unterlagen im Original zur Prüfung. Zwei Wochen später war seine Kanzlei geschlossen. Meine Unterlagen habe ich inzwischen wiederbekommen, nach wochenlangen Recherchen über den Aufenthaltsort des Anwalts. Der dritte Anwalt legte den Streitwert auf ca. 100.000 € fest, erstellte die erste Honorrechnung und informierte mich schriftlich, das eine deratig hohe Forderung nicht durchzusetzen sei.“

Übrigens: Die Ansprüche bestehen und wären fast verwirkt.

§ 89 HGB benachteiligt den Versicherungsvertreter im Verhältnis zur Richtlinie des Rates der EG

Noch immer gibt es Unterschiede zwischen den Ausgleichsansprüchen,, die das HGB in §89 b regelt und  Art. 17 Absatz 2 der „Richtlinie des Rates der EG vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter.

Wir erinnern uns: Weil das HGB der Richtlinie widersprach (die alte HGB-Regelung verlangte vor dem 5.8.2009 „Provisionsverluste“ des Handelsvertreters) hatte die Bundesregierung im Handumdrehen § 89 b HGB umgeschrieben.

Damit wurden aber nicht alle ungleichen Regelungen beseitigt. § 89 b Abs. 5 S. 2 HGB sagt: „Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen.“

Artikel 17 schreibt von fünf Jahresprovisionen. Ist die Ungleichbehandlung des Versicherungsvertreters gerechtfertigt? Die Norm könnte bald wieder auf dem Prüfstand stehen.

Artikel 17

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, daß der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.

b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Ausgleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.

c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Ist § 89 b HGB mit dem europäischen Recht vereinbar?

Ist § 89 b HGB mit dem europäischen Recht vereinbar? Zumindest war § 89 b HGB bis 2009 damit unvereinbar.

Der EuGH hatte die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs bei Handelsvertretern gemäß § 89 b HGB alter Fassung auf die Höhe der verlorenen Provisionsansprüche für europarechtswidrig hält ( EuGH 26.3.09 C-348/07) Das Gericht sieht darin einen Verstoß gegen die EU-Handelsvertreterrichtlinie (86/653/EWG), auf der §89 HGB basiert und die einem Handelsvertreter einen Ausgleich gewährt, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis beendet.

Bei der Umsetzung der EU-Handelsvertreterrichtlinie haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für den Handelsvertreter entweder nach Art. 17 Abs. 2 einen Ausgleichsanspruch oder nach Art. 17 Abs. 3 einen Schadenersatzanspruch zu schaffen. Deutschland hat sich für die erste Möglichkeit entschieden. Nach Art. 17 Abs. 2a der EU-Handelsvertreterrichtlinie hat der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch, wenn und soweit

– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

Nach Art. 17 Abs. 2b der EU-Handelsvertreterrichtlinie ist der Ausgleich ebenfalls gedeckelt. Er darf nicht höher sein als der Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag der entsprechenden Zeitraums ermittelt.

Nach Art. 17 Abs. 2c der EU-Handelsvertreterrichtlinie schließt die Gewährung des Ausgleichs nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Der EuGH hatte klargestellt, dass die von der deutschen Rechtsprechung vertretene Begrenzung des Ausgleichsanspruchs der Höhe nach auf die Provisionsverluste nach § 89 b Abs. 1 S. 1 Nr.2 HGB alter Fassung gegen Art. 17 Abs. 2a) der Handelsvertreterrichtlinie verstößt und damit europarechtswidrig ist (Tz. 9, 24 der Entscheidung).

Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin, dass die Richtlinie „insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmen schützen soll“ und dass dieser Schutz nach Art. 17 zwingendes Recht ist.

Der EuGH stellt weiter klar, dass Vorteile Dritter bei der Berechnung der „Vorteile des Unternehmers“ grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen – es sei denn, dass dies ist im Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter vorgesehen ist (Tz. 31 der Entscheidung). Dies wird damit begründet, dass die Richtlinie ihrem Sinn und Zweck nach die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll.

EU-Richtlinien sind so in nationales Recht umzusetzen, dass sie eine optimale Wirkung (sog. „effet utile“) entfalten, damit der vereinheitlichende Sinn und Zweck des Gemeinschaftsrechts nicht gefährdet wird. Diesem Prinzip dient auch die richtlinienkonforme Auslegung, die neben die nationalen Auslegungsregeln tritt. Nationale Auslegungsspielräume sind nach dem Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszufüllen (Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 25, Rn. 9).

Grundsätzlich haben EU-Richtlinien keine unmittelbare Wirkung, sondern müssen von den Mitgliedstaaten innerhalb einer bestimmten Frist durch eine nationale Regelung umgesetzt werden. Man kann sich aber dann auf eine EU-Richtlinie berufen, wenn diese nicht innerhalb der angemessenen Frist umgesetzt worden ist und die entsprechende Richtlinienregelung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist, um in Einzelfall angewendet zu werden.

EuGH: Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auch bei schuldhaftem Verhalten

Mit Urteil vom 28.10.2010 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtsposition des Handelsvertreters gestärkt. Ein Ausgleichsanspruch kann danach dem Handelsvertreter auch dann zustehen, wenn der Unternehmer im Nachgang zu einer ordentlichen Kündigung ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters feststellt.

Besteht der Verdacht, dass ein Handelsvertreter seine Pflichten nicht erfüllt, ist der Unternehmer gut beraten, dem nachzugehen und erst dann, wenn sich der Verdacht bestätigt, dem Handelsvertreter (fristlos) zu kündigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass er seinem Vertreter trotz schuldhaften Verhaltens einen Ausgleichsanspruch zahlen muss.

Dies ist die Konsequenz eines EuGH-Urteils vom 28.10.2010, das im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Vorlage durch den Bundesgerichtshofs (BGH) erging.

In der Sache ging es darum, dass ein Autohersteller den Vertrag mit einem Autohändler, auf den die Bestimmungen des Handelsvertreterrechts analog Anwendung finden, ordentlich angekündigt hat. Erst nach Zugang der Kündigung erhielt der Unternehmer Kenntnis von einem schuldhaften Verhalten des Händlers, das auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte.

Der Vertragshändler machte nun den Ausgleichsanspruch geltend, während der Hersteller diese mit der Begründung verweigerte, das Verhalten des Handelsvertreters hätte schließlich auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Die Sache landete vor dem BGH, der die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte.

In Rede stand u.a., ob gemäß der Handelsvertreterrichtlinie (86/653/EWG) ein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen ist, wenn – wie hier – der Arbeitgeber nach einer ordentlichen Kündigung Kenntnis von Umständen erhält, die auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Der EuGH verneint dies. Art. 18 lit.a der genannten Richtlinie verlange, dass zwischen dem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers und der Entscheidung des Unternehmers, den Vertrag zu beenden, ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dies werde aus dem verwendeten Wort „wegen“ in Art.18 lit.a deutlich. Auch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie spreche für diese Interpretation. So hatte die Kommission ursprünglich einmal vorgeschlagen, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Handelsvertreters „gekündigt hat oder hätte kündigen können“. Der Passus „hätte kündigen können“ sei aber eben gerade nicht übernommen worden. Ebenfalls verweist der Gerichtshof in seiner Begründung darauf, dass in allen Sprachfassungen die gleiche Präposition verwendet werde („wegen“) und die Bestimmung (als Ausnahme eines Ausgleichsanspruchs) eng auszulegen sei.

Erfährt der Unternehmer daher erst nach einer ordentlichen Kündigung, dass er auch fristlos hätte kündigen können, geht dies zu seinen Lasten. An dem Ausgleichsanspruch, den er seinem Handelsvertreter zu zahlen hat, ändert dies nichts.

 

OLG Frankfurt bejaht Anspruch auf Buchauszug und Ausgleichsanspruch

Am 18.09.2012 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass einem Vermögensberater ein Buchauszug zustehe, der zu enthalten hat:

a)      Name des Versicherungsnehmers und/oder Vertragspartners sowie Geburtsdatum

b)      Police- und/oder Versicherungsschein-Nummer

c)      Art und Inhalt des Vertrages (Sparte, Tarifart, Prämien oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)

d)      Jahresprämie

e)      Vertrags- und/oder Versicherungsbeginn

f)       Bei Lebensversicherungsverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages

g)      Bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie

h)      Im Falle von Stornierung: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen

Außerdem wurde ein Vertrieb zur Zahlung eines Handelsvertreterausgleiches gemäß § 89 b Abs. 1 und 5 HGB verurteilt.

Dieses Urteil ist teilweise nicht rechtskräftig. Der Vertrieb wandte sich dagegen im Rahmen der Revision. Der Bundesgerichtshof hatte dann das bahnbrechende Urteil aufgestellt, wonach der Ausgleichsanspruch anhand der Grundsätze geschätzt werden darf. In diesem BLOG wurde darüber bereits mehrfach berichtet.

Das Verfahren wurde dann anschließend an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht entschied neu und anschließend ging die Angelegenheit abermals in die Revision wegen der Frage, ob Rückstellungen, die in das Versorgungswerk vorgenommen werden, auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen sind.

Der Bundesgerichtshof meinte dann, dass grundsätzlich eine solche Anrechnung zulässig sei.

Mit dieser Maßgabe ging nunmehr das Verfahren zurück zum Oberlandesgericht. Dort wird nunmehr eine weitere Entscheidung erwartet. Zwischenzeitig hatte der Vermögensberater aufgrund des erhaltenen Buchauszuges nachberechnen können und die Forderung entsprechend nach oben anpassen können.

Eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.

OLG Frankfurt: Verwaltungsboni nicht ausgleichspflichtig

Das OLG Frankfurt wies kürzlich eine Berufung zurück, in der ein Handelsvertreter sog. Verwaltungsboni im rahmen seines Ausgleichsanspruchs angerechnet haben wollte. Danach werden „Zuschüsse und sonstige Vergütungen des Versicherungsunternehmens, wie z.B. Bürozuschüsse, Ersatz von Porti, Telefon und Reklameaufwendungen“ beim Ausgleichsanspruch nicht berücksichtigt.

Dazu das Gericht vorab in einem Beschluss:

beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat….
 Die Klägerin, eine ordentlich gekündigte Versicherungsvertreterin, macht auf der Grundlage der Grundsätze-Sach einen Anspruch wegen Handelsvertreterausgleichs geltend. Sie hat erstinstanzlich der Berechnung des Ausgleichswerts gemäß Abschnitt I der Grundsätze einerseits sogenannte DD-Provisionen zugrunde gelegt, die die Beklagte für Verlängerungen von Einzugsermächtigungen gezahlt hatte (1.733,80 € Jahresdurchschnittswert entsprechend 2.600,70 € Ausgleichsanspruch) und andererseits einen ihr als Landesdirektorin gezahlten monatlichen Verwaltungsbonus (30.129,40 € Jahresdurchschnittswert entsprechend 45.194,10 € Ausgleichsanspruch). Von dem Gesamtbetrag (45.194,10 € + 1.733,80 €) hat sie eine von der Beklagten auf den Ausgleichsanspruch erbrachte Zahlung von 2.871,60 € abgesetzt.
 Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Verwaltungsbonus sei Teil der Brutto-Jahresprovision und damit der Ausgleichsberechnung nach den Grundsätzen-Sach zugrunde zu legen.
 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Grundsätze-Sach seien nicht heranzuziehen, weil sie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur Schätzungsgrundlage seien, die keine Anwendung finde, wenn das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs festzustellen sei. Der Verwaltungsbonus sei jedenfalls von den zu berücksichtigenden Provisionen nach Abschnitt I 4 der Grundsätze auszunehmen.
 Das Landgericht hat nach Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer durch die Vorsitzende allein die Klage abgewiesen, weil der Klägerin auf gesetzlicher Grundlage kein Ausgleichsanspruch im Umfang des gezahlten Verwaltungsbonus zustehe, denn dieser sei keine Vergütung für die Vermittlung für Vertragsverlängerungen oder Vertragserweiterungen, sondern nach den getroffenen Vereinbarungen Entgelt für die Verwaltung und Betreuung des Kundenstamms, auf das ein Ausgleichsanspruch nicht gestützt werden könne. Für die DD-Provisionen sei eine weitere Ausgleichszahlung nicht geschuldet, weil deren Ausgleichsbetrag unter der bereits erbrachten Zahlung der Beklagten liege und die Klägerin wegen der in 2001 erfolgten Aufhebung der diesbezüglichen Vereinbarung keinen Anspruch habe.
 Die Klägerin wendet mit ihrer Berufung ein, das Urteil sei nicht von dem berufenen gesetzlichen Richter gefällt worden und könne deshalb keinen Bestand haben. Der Verwaltungsbonus sei jedenfalls auch Vergütung für die Vermittlung von Folgeaufträgen und die Grundsätze-Sach nähmen hinsichtlich der Abgrenzung zur Vergütung für Verwaltungstätigkeiten in Abschnitt I 3 eine Pauschalierung vor. Auf die Bezeichnung der Vergütung könne es für ihre Einordnung nicht entscheidend ankommen.
 Die Beklagte verteidigt das Urteil.
 Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig eingelegt und gerechtfertigt worden.
Die Berufung hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler iSd. § 513 Abs.1 ZPO beruht und eine andere Tatsachenlage im Berufungsverfahren entweder nicht festzustellen ist oder für die Entscheidung ohne Bedeutung bleibt.
Der Klägerin steht jedenfalls kein weiterer Anspruch aus § 89b Abs.5 Satz 1, Abs.1 HGB auf Handelsvertreterausgleich zu, als die Beklagte bereits hierauf Zahlung geleistet hat, nämlich im Umfang von 2.871,60 €, sodass dahin stehen kann, ob die Klägerin aus den DD-Provisionen nach Maßgabe der Grundsätze-Sach berechtigt sein kann. Denn der sich daraus ergebende Anspruch würde den Zahlbetrag nicht übersteigen. Folgerichtig geht die Berufung der Klägerin auf die DD-Provisionen auch nicht mehr ein.
Die Klägerin kann keinen Ausgleich auf der Grundlage der erhaltenen Zahlungen verlangen, die die Parteien mit „Verwaltungsbonus“ bezeichnen. Die Grundsätze-Sach, die nach der Entscheidung des BGH vom 23.11.2011 (VIII ZR 203/10 – NJW-RR 2012, 674, zu Senat 5 U 101/09) gemäß § 287 ZPO Schätzungsgrundlage sein können, tragen einen höheren Anspruch der Klägerin nämlich nicht, weil die Verwaltungsboni dem Ausgleichswert nach Abschnitt I 4 nicht zugrunde zu legen sind. Danach sollen „Zuschüsse und sonstige Vergütungen des Versicherungsunternehmens, wie z.B. Bürozuschüsse, Ersatz von Porti, Telefon und Reklameaufwendungen“ unberücksichtigt bleiben. Der Senat sieht die Verwaltungsboni als solche Zuschüsse, wobei man der Klägerin zugestehen muss, dass die gewählte Bezeichnung der Vergütung für deren Einordnung nicht entscheidend sein kann, wenn sie auch im Rahmen der Auslegung mit zu berücksichtigen ist. Dass ein Zuschuss für Verwaltungstätigkeiten vorlag, ergibt nicht nur dessen Bezeichnung, sondern auch der vereinbarte Abgeltungsinhalt. In Anlage 1 zum Landesdirektorenvertrag (Anl. K 2) ist vereinbart worden, als die Boni als „Vergütung für die Verwaltung des Kundenbestands“ gezahlt werden sollten. Ihre Zahlung war mit der Verpflichtung verbunden, die Bestandskunden halbjährlich aufzusuchen. Die Berechnungsstruktur deutet dahin, dass überhaupt keine Provision vorlag, denn die Höhe richtete sich nicht nach den einzelnen Verträgen im Bestand der Klägerin, sondern war nur nach dem Halbjahresbestand an Prämien in drei Gruppen eingeteilt, nämlich bis 500.000,00 €, bis 599.999,00 € und über 600.000,00 €.
Eine Heranziehung der Rechtsprechung zur Berechnung des gesetzlichen Anspruchs, an der sich die Grundsätze pauschalierend orientieren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Mehrfach hat der BGH entschieden (zuletzt BGH vom 23.11.2011, wie oben, Rz. 30; auch BGH Vom 22.12.2003, VIII ZR 117/03- MDR 2004, 402), dass der Verlust von Verwaltungsprovisionen, also von Vergütungen für die Bestandspflege und Kundenbetreuung, nicht zum Ausgleich berechtigt. Hier hatten die Parteien aber vereinbart, dass der Bonus genau dies abgelten soll.
 Für eine schätzungsweise Heranziehung der Grundsätze-Sach besteht ohnehin nach § 287 Abs.2 ZPO iVm. § 287 Abs.1 ZPO keine rechtliche Grundlage, weil die Höhe des Ausgleichsanspruchs, wie dort vorausgesetzt, nicht streitig ist. Vielmehr steht fest, dass die Klägerin auf der Grundlage des § 89b Abs.1 HGB keinen Ausgleich aus den gezahlten Verwaltungsboni beanspruchen kann. Es entspricht, wie zuvor ausgeführt, ständiger BGH-Rechtsprechung (vgl. zuletzt vom 23.11.2011, wie oben, Rz. 30), dass solche Provisionen ausgleichsrechtlich irrelevant sind, die für Tätigkeiten wie Bestandpflege und Kundenbetreuung gezahlt werden.

Wie errechne ich meinen Ausgleichsanspruch, wenn ich nicht nach den Grundsätzen abrechnen will

Der Ausgleichsanspruch kann auch „nach dem Gesetz“ errechnet werden. Dies ist jedoch schwierig und risikoreich.

In den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen hatte der Handelsvertreter zunächst versucht, erstinstanzlich den Ausgleichsanspruch über die gesetzlichen Grundlagen zu errechnen und einzuklagen. Damit ist er erstinstanzlich gescheitert.

Erst als sich der Handelsvertreter dazu entschlossen hatte, die Berechnungen auch über die Grundsätze vorzunehmen, wollte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diesem nachkommen. Das wurde dann anschließend vom Bundesgerichtshof bestätigt. Der Vertrieb hatte sich dagegen gewehrt und Revision eingelegt.

Nach den gesetzlichen Grundlagen müsste man sich bei der Berechnung des Ausgleiches bei den dynamischen Lebensversicherungen zunächst darüber Gedanken machen, welche Provision der Vertreter für die Vermittlung dynamisierter Lebensversicherungen erhalten hat. Würden dann Ansprüche auf Grunde einer wirksamen Provisionsverzichtsklausel mit Ende des Vertrag es entfallen, so partizipiert der Vertreter nicht mehr an den Dynamisierungen, wenn der Vertrag beendet ist. Er erleidet also nach Vertragsende Verluste. Diese Verluste sind im Rahmen einer so genannten Abwanderungsquote zu prognostizieren.

Maßgeblich ist also eine so genannte Abwanderungsquote. Die Abwanderungsquote kann sich aus den Zahlen der letzten Jahre ergeben. Hier müsste dann prozentual ermittelt werden, wie viele Verträge in den letzten Jahren prozentual weggefallen sind.

Ausgangsüberlegung ist die Provision, die der Vermittler in den letzten Jahren für die Dynamisierung bekommen hat.

 

Rechenbeispiel:

 

Wenn wir im letzten Vertragsjahr von einer Provision für Dynamisierungen von 5.000,00 € ausgehen, wird dies wie folgt berechnet:

 

Erstes Folgejahr 

 

Jahresanfang    Abwanderung 10 %           Jahresende

5.00,00 €                                                       4.50,00 €

 

 

Zweites Folgejahr 

 

Jahresanfang    Abwanderung 10 %           Jahresende

4.50,00 €                                                       4.05,00 €

 

 

Drittes Folgejahr 

 

Jahresanfang    Abwanderung 10 %           Jahresende

405,00 €                                                       3.64,50 €

 

 

Viertes Folgejahr 

 

Jahresanfang    Abwanderung 10 %           Jahresende

364,50 €                                                       328,05 €

 

 

Fünftes Folgejahr 

 

Jahresanfang    Abwanderung 10 %           Jahresende

328,05 €                                                       295,24 €

 

 

Die Provisionsverluste aus fünf Jahren betragen somit 1842,79 €.

 

Des Weiteren wird (nach Gillardon) ein Abzinsungsfaktor von 3 Prozent für fünf Jahre gebildet = 55,28

Der Ausgleichsrohbetrag wird nunmehr errechnet aus der Summe der Provisionsverluste in Höhe von 1842,79 € geteilt durch 60 (=5 Jahre) multipliziert mit 55,28 = 1842,79 geteilt durch 60 x 55,28 = 16.979,06

Danach wären 16.979,06 € auszugleichen.

Diese Berechnung ist wesentlich riskanter und ungenauer. Schon allein die Provisionsverluste zu berechnen, die der Vermittler im Bereich der dynamisierten Lebensversicherungen hat, ist äußerst schwierig. Hier würde eine derart exakte Auskunft erforderlich sein, um all die Zahlen präsentieren zu können, die gerichtlich erforderlich sind, so dass dies bereits ein erhebliches Risiko darstellt und schon daher die Ermittlung über die Grundzüge vorzuziehen ist.

Berechnungsbeispiel für den Ausgleichsanspruch im Bereich Finanzdienstleistung nach den Grundsätzen

Im Rahmen der Grundsätze, die einen Maßstab über die Berechnungd es Ausgleichsanspruches geben, wird auch genauer beschrieben, wie Finanzdienstleistungen auszugleichen sind.

Die maßgeblichen Entscheidungen, und zwar die Entscheidungd es Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main und die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, habe sich zu diesem Punkt nicht geäußert. Die Urteile sahen bisher vor, dass es einen Ausgleich für Investments nicht gibt.

Zurzeit ist jedoch davon auszugehen, dass dies nur fallbezogen ist. Schließlich sehen die Grundsätze einen Ausgleich für Finanzdienstleistungen vor.

Beispiel: Betrugen die Jahresprovisionen für

2010 16.000,00 €

2011  7.500,00 €

2012  3.800,00 €

2013  6.600,00 €

So ergibt dies eine durchschnittliche Jahresprovision in Höhe von 8.475,00 €.

Das ermittelte ausgleichspflichtiges Folgegeschäft beträgt 10 % davon = 847,50 €.

Sollte der Vermittler z.B. 12 Jahre dabei gewesen sein, wird dieser Betrag mit 3 miltipliziert und ergibt dann 2.542,50 €.  (Bei einer Tätigkeitsdauer über 15 Jahre würde es einen Treuebonus geben).

Insgesamt wären hier für den Bereich Finanzdienstleistungen bei unserem Beispiel 2.542,50 € auszugleichen.

Rechenbeispiel zur Errechnung des Ausgleichsanspruchs im Bereich der Krankenversicherung anhand der Grundsätze

Es wurde ja bereits vielfach darauf hingewiesen, dass man den Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“ berechnen kann, auch wenn diese nicht vereinbart wurden.

Dafür haben zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes sowie eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt gesorgt. Das OLG Frankfurt wandte als erstes diese Grundsätze an, der BGH bestätigte dies mit bahnbrechendem Urteil vom 23.11.2011, Az. VIII R 203/10 und bestätigte diese Auffassung mit Urteil von diesem Jahr vom 08.05.2014  Az. VII ZR 282/12.

Drei Entscheidungen, die richtungsweisend sind und die Durchsetzung der Ausgleichsansprüche erheblich erleichtert.

Ich hatte mich schon der Berechnung der Ansprüche in Hinblick auf die Lebensversicherung und die Sachversicherung gewidmet. Heute ist die Krankenversicherung dran.

Unser Handelsvertreter, der als Beispiel dient, soll 11 Jahre tätig gewesen sein. Zur Berechnung benötigen wir  den vereinbarten Provisionssatz und die Monatsbeiträge sowie die Tätigkeitsdauer.

 

Durchschnittliche Jahresproduktion 2009 in Monatsbeiträgen
18.900 €
Durchschnittliche Jahresproduktion 2010 in Monatsbeiträgen
22.700 €
Durchschnittliche Jahresproduktion 2011 in Monatsbeiträgen
27.000 €
Durchschnittliche Jahresproduktion 2012 in Monatsbeiträgen
15.000 €
Durchschnittliche Jahresproduktion 2013 in Monatsbeiträgen
19.000 €
Durchschnittliche Jahresproduktion 2007 – 2011 in Monatsbeiträgen
20.520,00 €
x Faktor durchschnittlicher Provisionssatz in Monatsbeiträgen: 5,30
108.756,00 €
x Faktor (fest): 0,20
 21.751,20 €
x Faktor (fest): 0,40
8700,48 €
x Faktor Tätigkeitsdauer (11 Jahre): 2,5
21.751,20 €
Ausgleichsanspruch Krankenversicherung
 21.751,20 €

Ergänzung Kfz

Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs für Kfz-Versicherungen folgt demselben Schema. Es gelten allerdings drei Besonderheiten:

Im Kfz-Bereich sind übertragene Bestände bereits nach Ablauf von 10 Jahren seit der Übertragung voll berücksichtigungsfähig.

  • Der Prozentsatz für die Ermittlung des Ausgleichswertes beträgt 25 Prozent.
  • Der Faktor für die Tätigkeitsdauer maximal 2.