Arbeitsgericht wies Klage der OVB ab

Am 04.04.2019 wies das Arbeitsgericht Frankfurt an der Oder eine Klage der OVB Vermögensberatung AG ab. Die OVB verlangte einen Betrag von etwa 90.000,00 €.

Sie verlangte eine Rückzahlung aus dem Provisionskonto.

Der Berater hatte für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Vermittlung und Verwaltung eines Vertrages einen einmaligen Anspruch auf eine Abschlussprovision erworben. Die Abschlussprovision wird vorbehaltlich der Stornoreserve in Höhe der zu erwartenden Provision auf dem Provisionskonto diskontiert. Voraussetzung der Gutschrift eines diesbezügliches Provisionsvorschusses ist, dass der Erstbetrag des Kunden auf dem Konto eingegangen ist. Verdient ist die Provision erst, wenn und soweit der Kunde die Prämie, den Beitrag oder das Entgelt bezahlt hat, aus der sich die Provision nach der Provisionsliste errechnet und die OVB ihrerseits dafür eine Zahlung erhalten hat. Kommt es innerhalb des Haftungszeitraums zu einer Stornierung oder einer sonstigen Vertragsstörung mit dem Kunden, etwa im Fall der Beitragsfreistellung, entfällt der Provisionsanspruch ganz oder vermindert sich, es sei denn, die OVB hätte dies zu vertreten.

Bereits ausgezahlte Provisionen wären dann zurückzuzahlen.

Vereinbart wurde ein Stornoreservekonto, auf das mit dem jeweiligen Vorschuss mindestens 10% der vollen Provision gebucht werden sollte.

In Ziffer 16 des Vertrages wurde geregelt, dass Ansprüche aus diesem Vertrag in 13 Monaten ab dem Schluss des Monats verjähren, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat. Die Verjährung tritt spätestens in 4 Jahren ein, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Das Provisionskonto wies irgendwann ein Saldo von etwa 95.000,00 € aus, während das Stornoreservekonto gleichzeitig fast 5.000,00 € Guthaben hatte. Die Differenz war der eingeklagte Betrag.

Es wurde dann eine Liste von weiteren Provisionsabrechnungen angefertigt. Diese bestand aus 84 Monaten. Das Konto hatte danach in 58 Monaten einen Minusstand. Mit Ausnahme von zwei Monaten wurden jedoch jeweils Auszahlungen an den Beklagten vorgenommen. Teilweise handelte es sich nicht ausschließlich um die, in den Abrechnungen als Vorschüsse deklarierten Beträge. Im Rahmen eines notariellen Schuldanerkenntnisses hatte der Berater bei der Köln Bank ein Darlehen in Höhe von fast 30.000,00 € aufgenommen. Die OVB ist gegenüber der Bank in Vorleistung getreten und hatte gegen die Berater vollstreckt.

Die OVB machte das Schlusssaldo eins abgerechneten Kontokorrents geltend und klagte. Sie verwies auf eine im Vertrag geschlossene Kontokorrentvereinbarung und auf ein vor Jahren abgegebenes Anerkenntnis. Der Nachbearbeitungspflicht sei man nachgegangen, in dem man Stornogefahrmitteilungen an den Berater gesandt hat. Das Bestehen einer Kontokorrentabrede wurde von dem Berater in Abrede gestellt. Im Übrigen wurde bestritten, dass es sich bei den vorgenommenen Auszahlungen um Provisionen handelt. Die Klägerin habe pauschale Beträge ausgezahlt und somit zur Verschuldung des Beklagten beigetragen. Obgleich kein Guthaben auf dem Provisionskonto bestand, seien dennoch Auszahlungen vorgenommen worden. Außerdem sei das Provisionskonto belastet worden, in dem vertragswidrige Umbuchungen vom Stornoreservekonto auf das Provisionskonto stattgefunden haben sollen.

Das Gericht ließ die Rückforderung daran scheitern, dass es die vereinbarte Rückzahlungsklausel für nichtig hielt. Es verwies auf §§ 89 a), Abs. 1, Satz 2 HGB; 89 Abs. 2, Satz 1, 2. Halbsatz HGB i.V.m. § 134 BGB.

Das Recht zur Kündigung eines Vertrages gem. § 89 a), Abs. 1 HGB darf weder ausgeschlossen noch beschränkt werden und sei für beide Teile unabdingbar. Dazu gehören nicht nur unmittelbare Beschränkungen, sondern auch mittelbare Erschwernisse, eine Vertragsbeziehung zu beenden, etwa in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen (z.B. BGH-Urteil vom 03.07.2000, II ZR 282/98). Ein solcher Nachteil kann auch in der vertraglich vorgesehenen Verpflichtung zur sofortigen Rückzahlung langfristiger Vorschussleistungen bestehen. Dabei verwies das Gericht auf eine ganze Reihe von Urteilen, u.a. OLG Köln, OLG Düsseldorf, OLG Karlsruhe, OLG Celle usw.

Das Gericht sah die Regelungen des § 89 HGB als zwingende gesetzliche Regelung an und als Schutzvorschrift zu Gunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters. Er darf in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung nicht beschnitten werden. Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften Nachteile zu einer unwirksamen Kündigungserschwernis führen, sei eine Frage des Einzelfalls. Hier ist insbesondere auf die Höhe der zu erstattenden Zahlungen  sowie auf den Zeitraum, für den diese zurückzuerstatten sein sollen, abzustellen.

Die Rückzahlungsklausel im OVB-Vertrag sah keine explizite Verknüpfung zwischen Beendigung des Vertrages und der Rückzahlungspflicht vor. Im Vertrag stand, dass ein Sollsaldo binnen zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung der OVB auszugleichen sei. Damit unterliege dies ausschließlich der Gestaltungsfreiheit der OVB. Diese Klausel öffne ihr einen Spielraum. Sie könne frei darüber verfügen, ob die Rückzahlung über die monatliche Abrechnung erfolge, oder erst mit der Vertragsbeendigung vollzogen wird.

Es fehle eine vertragliche Konkretisierung in zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht, wann eine solche Aufforderung durch die Klägerin zu ergehen hat. In der Regelung sei immanent, dass bei Vorliegen eines Negativsaldos die Zahlungsaufforderung in jedem Fall spätestens mit dem Ausscheiden des Beraters geltend gemacht werden wird. Deshalb sei die Vereinbarung unwirksam. Im Übrigen lasse die Auszahlungspraxis keine Unterscheidung zwischen der Auszahlung von Provisionsvorschüssen und verdienter Abschlussprovisionen zu. Etwaige Auszahlungen seien in den Abrechnungen als Vorschuss bezeichnet worden. Dabei seien auch Zahlungen  auf Verbindlichkeiten des Beraters geleistet worden, z.B. an das Finanz- oder Gewerbeamt oder auch an die Köln-Bank zur Begleichung des Kredits.

Im Übrigen wies der Berater darauf hin, dass er gerade dann, wenn das Geschäft schlecht lief, höhere Beträge als Finanzspritze erhielt. Dies konnte das Gericht auch in der Gegenüberstellung der Auszahlungen als Vorschuss mit den Kontenständen der Saldenliste erkennen. Zwischen Auszahlungen und Vorschuss waren teilweise erhebliche Unterschiede.

Für das Gericht war es nicht nachvollziehbar, wonach die OVB die zu erwartenden Provisionsvorschüsse bemessen hat. Die OVB habe zwar einen Ermessensspielraum, weil sie einen angemessenen Vorschuss leisten müsse. Es sei jedoch nicht erkennbar, wie es zu den einzelnen Zahlungsbeträgen gekommen ist. Die Auszahlungen erfolgten auch nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung, wonach eine Auszahlung nur dann erfolgen kann, wenn im Abrechnungsmonat ein Guthaben von mindestens 25,00 € besteht.

Das Gericht ging sogar davon aus, dass die Zahlungen an den Beklagten unabhängig von dem von ihm vermittelten Geschäft und damit dem erwirtschafteten und zu erwartenden Provisionen erfolgten. Eine Anpassung wurde trotz tendenziell anwachsenden Sollstandes nicht vorgenommen. Im Gegenteil sei sogar die Erhöhung der Auszahlungsbeträge bei steigendem Minusstand erfolgt.

Im Übrigen sei auch wegen der langfristigen Auszahlungen über mehrere Jahre von einer Anschubfinanzierung nicht mehr die Rede. Gem. § 86 a) HGB und § 242 BGB bestehe eine allgemeine Pflicht des Unternehmers, die Arbeit des Handelsvertreters zu unterstützen und auf seine Belange Rücksicht zu nehmen. Der Unternehmer müsse alles unterlassen, was dem Handelsvertreter erkennbar schadet. Es sei deshalb nicht verständlich, warum man keine Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hatte, als der Minusstand noch überschaubar war.

Der Vertrag enthielt auch keine kompensierenden Regelungen, die das Anwachsen eines solchen Minusstandes verhindern könnte. Eine solche Regelung könnte z.B. darin bestehen, dass zeitlich länger zurückliegende Vorschüsse nicht mehr oder nur noch anteilig zurückzuzahlen sind. Eine solche Klausel enthielt der Vertrag jedoch nicht. Im Übrigen sei es nach Ansicht des Gerichts für die Klägerin erkennbar, dass eine Rückzahlung ab einer bestimmten Höhe faktisch nicht mehr möglich ist für den Beklagten. Wenn die Stornoquote des Beklagten 10% übersteigt, sei die OVB berechtigt, keine Diskontierung von Provisionen mehr vorzunehmen. Damit werde klargestellt, dass die Klägerin die Stornoquote von mehr als 10% als eine Art Risikogrenze ansieht, ab dem sie sich vorbehalten will, weitere Zahlungen  vorzunehmen. Die Stornoquote lag jedoch teilweise erheblich darüber.

Das Gericht hielt der Klägerin vor, das Entstehen der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beklagten zumindest billigend in Kauf genommen zu haben.

Insgesamt sei die Rückzahlungsverpflichtung deshalb nichtig.

Die Forderung der Klägerin stellte sich auch als unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB dar. Das Gericht hielt der OVB vor, es habe den Negativsaldo auf dem Provisionskonto unter Verletzung ihrer aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Förderungs- und Übersichtsnahmepflicht mitverursacht. Es habe unter Voraussetzung der vertraglichen Regelungen anlasslose Umbuchungen vom Stornoreservekonto auf das Provisionskonto vorgenommen und damit die vertraglich vorgesehene Mindestrisikoabsicherung für stornierte Verträge dezimiert.

Schließlich soll eine Umbuchung der Sicherheitsleistungen vom Stornoreservekonto auf das Provisionskonto erst erfolgen, wenn das abgesicherte Risiko entfallen ist, ihr keine abzusichernden Forderungen der Klägerin mehr gegenüberstehen, also dann, wenn der Haftungszeitraum ohne Stornierung abgelaufen ist.

OVB legte gegen das Urteil Berufung ein.

Das Schneeballsystem im Fall Fuchsgruber

Tief gefallen ist er jetzt schon. Medard Fuchsgruber war früher der Robin Hood der Kleinanleger, ein Witschaftsdetektiv, der sich anscheinend immer um die kleinen, armen Leute kümmern wollte.

Damals, als die ARD regelmäßig über den AWD berichtete und schwere Vorwürfe gegen Carsten Maschmeyer erhob, tauchte Fuchsgruber regelmäßig auf.

Jetzt sitzt er selbst auf der Anklagebank. Von Untersuchungshaft ist die Rede, von 250 Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, desweiteren von einem Schneeballsystem und rund 600.000,00 € verschwundener Gelder.

Die Bilder, die durchs Netz gehen, u.a. hier im Handelsblatt, zeigen einen angeschlagenen Fuchsgruber. Der Fall Fuchsgruber erzählt längst nicht mehr vom stolzen König der Diebe.

Erst vor einigen Tagen wurde er wegen Fluchtgefahr in einem Duisburger Krankenhaus festgenommen und in die U-Haft nach Saarbrücken überstellt. Am 15.1.2010 begann der Prozeß gegen ihn.

Selbst AWD-Mitarbeiter (heute Swiss Life Select) rannten übrigens Forderungen hinterher, wie ein alter Blogeintrag zeigt.

Faxsendebericht als Zugangsnachweis?

Am 19.02.2014 hat der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen IV ZR 163/13 sich über das Sendeprotokoll eines Faxes Gedanken gemacht, ob dies als Beweismittel genügt.

Dies ist besonders deshalb interessant, weil der ein oder andere Handelsvertreter Aufforderungen oder Abmahnungen per Fax übersendet.

Nach früherer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes war der Sendebericht lediglich als Indiz für den Zugang eines Telefaxes zu sehen, und erfüllte somit nicht die Anforderungen eines Anscheinsbeweises.

Der Bundesgerichtshof musste über eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Jena entscheiden. Dieses hatte zunächst nicht genügend bedacht, dass ein „OK-vermerk“ auf dem Sendebericht immerhin das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt.

Deshalb könne sich, so der BGH, der Empfänger nicht auf eine bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken, er müsste sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast viel mehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt und dieses gegebenenfalls vorlegen und so weiter.

BGH: Bei nur geringem Wettbewerbsverstoß fristlose Kündigung ohne Abmahnung unzulässig

Verstößt ein Handelsvertreter nur geringfügig gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot, ist eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags ohne vorherige Abmahnung regelmäßig unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn im Vertrag der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung benannt ist.

Der Kläger vermittelte für die Beklagte über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren als selbständiger Handelsvertreter Versicherungsverträge. Es war ihm vertraglich verboten, während der Vertragslaufzeit unmittelbar oder mittelbar für andere Versicherungsgesellschaften tätig zu sein.

Im Vertrag war ausdrücklich vorgesehen, dass ein Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt. Der Kläger hatte über mehrere Jahre in wenigen Fällen gegen dieses Wettbewerbsverbot verstoßen, ohne jedoch die Beklagte wirtschaftlich schädigen zu wollen. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie den Handelsvertretervertrag fristlos. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Vertrag nicht durch die fristlose Kündigung beendet wurde.

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Nach Auffassung der Richter stellten sich die Wettbewerbsverstöße bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen als so geringfügig dar, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust und damit ein fristloses Kündigungsrecht des Beklagten ohne vorherige Abmahnung nicht begründeten. Eine solche Interessenabwägung im Einzelfall war auch nicht durch die vertragliche Regelung ausgeschlossen, wonach ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellte. Der BGH räumte zwar ein, dass die Benennung von wichtigen Kündigungsgründen im Handelsvertretervertrag die grundsätzlich gebotene Einzelfallabwägung und Zumutbarkeitsprüfung einschränken oder (fast) ganz ausschließen könne (eine Prüfung der Grundsätze von Treu und Glauben erfolgt immer). Ein solcher Parteiwille müsse sich aber deutlich aus der vertraglichen Kündigungsregelung ergeben. Hier ergebe die Vertragsauslegung jedoch, dass geringfügige Wettbewerbsverstöße, durch die das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter nicht grundlegend beschädigt werde, nicht zur fristlosen Kündigung berechtigen sollten. Zumindest sei in diesen Fällen eine vorherige Abmahnung erforderlich.

BGH, Urteil v. 10.11.2010, VIII ZR 327/09

Gut gefahren ins 2020

Während nunmehr fast jeder seinen Senf zu Omas gesungener Motorradfahrt im Hühnerstall abgegeben hat, überrascht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mit einem Vorschlag. Nicht der Schutz von Umwelt und Huhn steht dabei im Vordergrund, sondern die Unfallstatistik.

„Mit einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen verringert sich auch das Risiko schwerer Unfälle mit Schwerstverletzten“, so der Bundesvorsitzende des GdV Michael Mertens. Mit Tempolimit könnte es bundesweit etwa 80 Verkehrstote pro Jahr weniger geben, so die Wirtschaftswoche.

Deshalb schlug Mertens einen Praxistest vor, um die Tauglichkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu testen.

Vielleicht sollten das der Anlass sein, optimistisch in das neue Jahr zu gehen. Wenn sogar die eher als konservativ geltende Versicherungswirtschaft neue Wege vorschlägt, geht das alte Jahr doch mit dem Gefühl zu Ende, dass man sich auf Überraschungen freuen kann.

In dem Sinne wünscht der Handelsvertreterblog allen Lesern ein spannendes, gutes, ruhiges, gesundes und erfolgreiches Jahr 2020 !