Handelsvertreter

Strukturvertrieb muss sich Verhalten eines strafbaren Beraters zurechnen lassen

Am 15.03.2012 entschied der BGH, dass ein Strukturvertrieb sich das strafbare Verhalten eines Handelsvertreters zurechnen lassen muss.

Hier die Pressemitteilung des BGH.

Der Ehemann einer Kundin hatte im Jahr 2000 an den Deutschen Investment-Trust (DIT) einen Kontoeröffnungsantrag und einen Kaufantrag zum Erwerb von Anteilen an Aktien-Fonds gerichtet und in der Folgezeit monatliche Zahlungen an die Fondverwaltungsgesellschaft geleistet.

Dies geschah auf Empfehlung eines Handelsvertreters ein Strukturvertriebes.

Die Klägerin machte geltend, der Berater habe im Jahr 2003 die Fondanlage ihres Ehemannes durch Verkaufsaufträge, die er an den DIT gerichtet habe, aufgelöst. Dabei habe er die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht und den Verkaufswert der Fondanteile auf sein eigenes Privatkonto überweisen lassen. Der Berater hatte dieses Verhalten zugestanden und wurde – auch wegen weiterer Vorgänge – zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte zunächst die Klage auf Zahlung des veruntreuten Betrages abgewiesen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte der Klägerin im Wesentlichen Recht gegeben, allerdings Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen den DIT aus Anlass der Veräußerung der Fondanteile.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Strukturvertriebes zurückgewiesen. Er vertritt die Auffassung, dass durch die an den DIT erteilte Ermächtigung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entstanden ist. Dieses wurde durch den Handelsvertreter verletzt. Der BGH hat auch die Einstandspflicht der Beklagten nach § 278 Satz BGB bejaht. Schließlich habe der Berater nicht rein zufällig mit den Rechtsgütern des Anlegers zu tun gehabt, sondern es habe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen seinem schuldhaften Verhalten und den Aufgaben bestanden. Der Berater erhielt die Informationen bestimmungsgemäß zum Zwecke der Beratung und er war mit Formularen ausgestattet, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichen.

Urteil Bundesgerichtshof vom 15.03.2012 Aktenzeichen III ZR 148/11

Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 04.06.2010, Aktenzeichen 2 – 18 O 474/09

Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 18.05.2011 – 7 U 140/10

Nicht verzargen, Herr Rechtsanwalt

Vor Gericht ist es nicht wie auf hoher See, pflege ich immer zu sagen. Ich mag es nicht, den Ausgang eines Verfahrens in die Hände des Schicksals zu legen.

Wir Anwälte, die sich dem Handelsvertreter- oder dem Vertriebsrecht widmen, müssen nur mit wenigen Paragraphen auskommen (§§ 84 bis 92 c HGB). Das scheint übersichtlich, könnte man denken.

Doch wenn es weniger Paragraphen gibt, gewinnen Grundsatzurteile an Bedeutung. Dann muss man wissen, wer was und wann entschieden hat.

Und so erlebt man die eine oder andere „Anekdote“, die es zu erzählen gibt. Das Landgericht Koblenz erzählt eine davon. Während es zunächst einen Hinweis erteilt hatte, dass die Übergabe von Anlagen keinen Schriftsatz ersetzt, wollte es davon in dieser Woche nichts mehr wissen. Die Gegenseite hatte einen weiteren knappen Vortrag geliefert und „sage und schreibe“ zwei DIN-A4 Ordner Anlagen überreicht. Jetzt meinte das Gericht plötzlich, dass das ausreichend wäre. Die Masse machts.

In einem Rechtsstreit vor einem Amtsgericht, in dem es um die Rückforderung fester Vorschüsse ging, sagte die Richterin, es käme darauf an, wie hoch die Vorschüsse seien. Wenn sie niedrig sind, würde eine Kündigungserschwernis nicht zu sehen sein. Und dann müsse der Handelsvertreter auch alles wieder zurück zahlen. Und so schick wie die Abrechnungen aussahen, würden sie schon stimmen.

In einer ähnlichen Sache ging es schon vor einiger Zeit vor dem Landgericht Münster. Auch hier wollte ein großer Vertrieb seine festen Vorschüsse zurück. Für den Vertriebler ging es um die Existenz. Ich schrieb und schrieb und fuhr das gesamte Bollwerk von Urteilen auf, die einen solchen Anspruch abgelehnt hatten.

Dann fragte die Richterin kurz und trocken, warum ich denn so viel schreiben würde. Schließlich wäre es doch ganz klar, dass hier die Forderung des Vertriebs nicht besteht.

Worte, die man gern hört, sich aber nicht merken sollte. Denn morgen ist wieder alles anders.

Arbeitsgericht wies Provisionsklage ab

Vor dem Arbeitsgericht Magdeburg stritt ein Vertrieb gegen einen Handelsvertreter. Dieser war als  Versicherungsvertreter für den Vertrieb tätig.

Man stritt um Provisionen, die der Versicherungsvertreter zurück zahlen sollte. Diese hatte er als Vorschüsse erhalten. Anschließend kam es zu Stornierungen der vermittelten Verträge.

Das Arbeitsgericht wies die Klage des Unternehmens ab. Es habe, so die Gründe, den Gegenstand der Klageforderung nicht hinreichend bestimmt. Deshalb sei die Klage bereits unzulässig.

„Es bleibt offen, wie sich der insgesamt geforderte Zahlungsbertrag auf die jeweils angesetzten einzelnen Provisionsvorschüsse, deren Rückzahlung gefordert wird, aufteilt. Ohne diese Angaben ist die Zusammensetzung des Streitgegenstandes nicht erkennbar und ein hierüber ergenhendes Urteil der materiellen Rechtskraft nicht fähig“, so das Gericht.

Ein Anerkenntnis durch schweigende Hinnahme wollte das Gericht ebenfalls nicht annehmen. Ein Schweigen stelle keine Anerkennung dar.

Ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird, ist noch nicht bekannt.

Urteil des Arbeitsgerichts Magedeburg vom 8.12.11, Az 6 Ca 3642/10

OLG Düsseldorf: Geschäftsführer haftet nicht für Inkasso

Kürzlich hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf über eine nicht alltägliche Berufung eines Versicherers zu entscheiden.

Ein Versicherungsvertreter unterhielt eine GmbH. Diese war für die Versicherung als Versicherungsvertreter im Rahmen eines Handelsvertretervertrages tätig. Sie hatte auch sog. Inkassovollmacht, nahm also Beiträge der Kunden ein.

Die Beiträge wurden teilweise nicht zurückgeführt. Der Versicherer verlangte bereits vor Jahren einmal die Rückführung dieser Außenstände, was dann auch geschah. Danach kam es erneut zu Rückständen. Dies wurde von dem Versicherer dann zunächst so hingenommen. Dann wurde Klage erhoben.

Verklagt wurde sowohl die GmbH als auch der Geschäftsführer. Letzterem warf man vor, er sei als Geschäftsführer verantwortlich und hafte daher persönlich.

Erstinstanzlich verwies der Versicherer hauptsächlich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach grundsätzlich der Geschäftsführer für die Weitergabe sog. Fremdgelder verantwortlich ist und – wenn sie nicht abgeführt würden – persönlich dafür zu haften hat.

Die Klage der Versicherung gegen die GmbH hatte erstinstanzlich Erfolg, gegen den Geschäftsführer nicht. Das Landgericht meinte, der Versicherer müsse mehr zu den Voraussetzungen vortragen. Ohne auf fehlenden Vortrag hinzuweisen, überraschte das Landgericht den Versicherer mit dem abweisenden Urteil.

Lediglich gegen die GmbH hatte der Versicherer Erfolg. Diese erwies sich jedoch nicht als zahlungsfähig, so dass der Versicherer sein Glück nunmehr im Rahmen der Berufung gegen den Geschäftsführer suchen musste.

Das Oberlandesgericht hatte kürzlich darüber zu entscheiden. Trotz weiteren Vortrags des Versicherers hatte die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das OLG hielt dem Versicherer vor, er habe die Umstände doch jahrelang akzeptiert. Lediglich vor Jahren hatte man sich einmal um einen Ausgleich bemüht, der dann auch erfolgte. Danach ließ man alles wieder wie bisher laufen. Es gab keine weiteren Aufforderungsschreiben.

Das OLG hielt dem Versicherer vor, er habe den Zustand geduldet und wies auch die Berufung ab.

Übermorgen im TV : Ein Handelsvertreter im freien Fall im Strukturvertrieb

Die Hummel ist ein Tier, das eigentlich viel zu unproportioniert ist und viel zu kurze Flügel hat, um zu fliegen.

Ein treuer Leser stolperte im MLM-Forum über einen vom Bayr.Rundfunk prämierten Film, der am 19. und 20.8.2011  ausgestrahlt wird.

Sein Kommentar :

„Gestern habe ich den Film im ZDF „Die Hummel“ gesehen, der vom Bay. Fernsehen ausgezeichnet wurde.
Sofern Sie diesen verpasst haben kann ich diesen nur empfehlen sich anzuschauen.
Warum?

Meine Frau sagte, das geht im Film genauso zu wie seinerzeit bei der XXX.  Zufall, oder was?

Nein! Strukturvertrieb oder MLM, wie auch immer. Die Arbeitsweise und die Redewendungen, die dort verfilmt sind, spielen sich 1:1 ab. Darum ist dieser ja so interessant und sollte von neuen Rekruten vorher angeschaut werden.
Auch das gilt bei neuen Vermittler bei der XXX und die Redewendungen werden geschult und angewandt:

„Die Hummel wiegt 4,8 Gramm. Sie hat eine Flügelfläche von 1,45cm² bei einem Flächenwinkel von 6 Grad. Nach den Gesetzen der Aerodynamik kann die Hummel nicht fliegen. Aber die Hummel weiß das nicht.“

Auch die Anwerbung und Weiterempfehlung sind nach dem gleichen Muster gestrickt.  Dies ist das Brot der Strukturvertriebe. Einfach gut gemacht dieser Film.

Auszug aus dem Inhalt:

Mein Haus, mein Auto – gut, die Jacht fehlt, aber ansonsten scheint es Pit (Jürgen Tonkel) tatsächlich geschafft zu haben. Und das nur, weil sich die Naturkosmetikprodukte, die er vertreibt, quasi von selbst verkaufen. Das erzählt er jedenfalls seinen ehemaligen Klassenkameradinnen, die er ‚wie zufällig‘ wiederfindet und sie beim gemeinsamen Abendessen für das Schneeballsystem zu gewinnen versucht.

Rechtsschutz bei Handelsvertretern ?

Viele Handelsvertreter „leiden“ darunter, dass ihre Probleme in Zusammenhang mit typischen Rechtsstreitereien (Kündigungen, Ausgleichanspruch, Provionsansprüche) nicht von einer Rechtsschutzversicherung gedeckt sind. Es gibt bei solchen Fragen als Handelsvertreter keine Rechtsschutzversicherung, die die Deckung übernimmt.

Seit dem 01.01.2011 bietet der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. für Mitglieder eine Rechtsschutzversicherung. So wurde es uns zugetragen. Bei Fragen sollte man sich mit dem BVK in Verbindung setzen.

Wie sieht der Anspruch auf einen Buchauszug aus ?

Handelsvertreter haben gem. § 87 c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf einen Buchauszug.

Eine Richterin vom Landgericht Heilbronn meinte kürzlich, ein Handelsvertreter könne ihn in einer Klage nicht geltend machen, weil jeder Klageantrag so konkret bezeichnet werden müsse, dass ein Gerichtsvollzieher daraus vollstrecken könne. Und welcher Gerichtsvollzieher wisse schon, wie ein Buchasuzug aussieht?

In dem Fall wurde der Antrag umgestellt, und zwar auf Auskunft über die von dem Handelsvertreter vermittelten Geschäfte nach

1.    Name des Versicherungsnehmers-  und/oder Vertriebspartners sowie
Geburtsdatum
2.    Police- und/oder Versicherungsscheinnummer
3.    Art und Inhalt des Vertrages (Sparte, Tarifart, Prämien oder
provisions-relevante Sondervereinbarungen)
4.    Jahresprämie
5.    Vertrags- und/oder Versicherungsbeginn
6.    bei Lebensversicherungsverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter
des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages
7.    bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich:
Erhöhung der Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung der Jahresprämie
8.    Im Falle von Stornierung: Datum der Stornierung, Gründe der
Stornie-rung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen

Damit war die Richterin dann zufrieden.

Vertrieb kündigte falsch und Handelsvertreter rügte zu spät

Am 03.11.2010 entschied das Landgericht Frankfurt am Main, dass eine Kündigung, ausgesprochen durch einen Strukturvertrieb falsch unterschrieben wurde.

Die streitgegenständliche Kündigung erfolgte durch Vertreter, die keine Vertretungsmacht hatten, da die Kündigung von zwei Prokuristen unterzeichnet wurde. Der Vertrieb wird jedoch entweder durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam oder durch ein Vorstandmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.

Der Handelsvertreter bekam jedoch dennoch kein Recht.

Er hätte nämlich gemäß § 174 BGB die fehlende Vertretungsmacht unverzüglich beanstanden müssen. Dies tat der Handelsvertreter jedoch nicht rechtzeitig.

Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern.

Im vorliegenden Fall ist die Kündigung am 22.06.2009 zugegangen. Am 09.07.2009 fuhr der Handelsvertreter in Urlaub und veranlasste erst nach der Rückkehr aus seinem Urlaub die Zurückweisung.

Die Kündigung wurde erst mit Schreiben vom 16.07.2009 beanstandet.

Rechtsmittel wurden nicht eingelegt.

Ein bisschen mehr verboten, als das Gesetz verbietet – so wird der Handelsvertreter zum Einfirmenvertreter

Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter ein sog. Einfirmenvertreter ist – er darf laut Vertrag nicht für andere Unternehmen tätig werden.

Nun sagt jedoch die Rechtsprechung, das einem Handelsvertreter schon kraft Gesetzes verboten ist, während der Vertragslaufzeit für einen Konkurrenten tätig zu werden.

Was muss im Vertrag stehen, damit ein HV ein Einfirmenvertreter wird?

Dazu das OLG Köln vom 06.04.2005 – Az. 19 W 8/05 –

„Ein Handelsvertreter ist dann als sog. Einfirmenvertreter i. S. v. § 92a HGB zu qualifizieren, wenn für ihn nach Maßgabe des abgeschlossenen Vertrages die Ausübung anderweitiger Vermittlungs-, Berater- oder Verkaufstätigkeit von der Einwilligung des Unternehmens abhängig war.
Ein solcher Vorbehalt ist im Falle der Nichterteilung der Genehmigung durch den Unternehmer einem vertraglichen Verbot gleichzusetzen, wenn die Regelung sachlich über dasjenige hinausgeht, was dem Handelsvertreter bereits aufgrund der gesetzlichen Vorschrift des § 86 Abs. 1 HGB untersagt war. Unerheblich ist dann auch, dass der Handelsvertreter „sonstige Erwerbstätigkeiten“ lediglich schriftlich anzuzeigen hatte..“

Wettbewerbsverbot nach unwirksamer fristloser Kündigung

Wie soll sich ein Handelsvertreter verhalten, wenn er eine Kündigung erhält, die unwirksam ist ?

Der BGH meint, der Handelsvertreter könne sich vertragswidrig verhalten, wenn er nach der Kündigung für die Konkurrenz arbeitet (schließlich bestehe der Handelsvertretervertrag ja noch fort). Es drohe dann eine (weitere) Kündigung aus wichtigem Grund, die dann wirksam sein könnte. Und der Handelsvertreter könne sich schadensersatzpflichtig machen u.s.w….

Dazu das Urteil des BGH vom 12.03.2003

Leitsatz : „Ein Handelsvertreter, der nach einer unwirksamen fristlosen Kündigung seitens des Unternehmers am Vertrag festhalten und die sich hieraus ergebenden Rechte nach wie vor in Anspruch nehmen will, muss sich grundsätzlich bis zur rechtswirksamen Beendigung des Vertrages weiterhin jeglichen Wettbewerbs enthalten, der die Interessen des Unternehmers beeinträchtigen könnte.“

Bei Weigerung eines Buchauszugs muss Unternehmen Vorschuss zahlen

Gerade gefunden und – wegen des immer aktuellen Inhalts – angefordert : Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.06.1999
16 W 12/99

Wenn ein Unternehmen sich weigert, einen Buchauszug zu erteilen, kann der Handelsvertreter einen Vorschuss anfordern,

„Kommt ein Unternehmen trotz rechtskräftiger Verurteilung seiner Verpflichtung, einem Handelsvertreter einen zur Nachprüfung von Provisionsabrechnungen benötigten Buchauszug zur Verfügung zu stellen, nicht oder nicht hinreichend nach, ist der Handelsvertreter berechtigt, im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten des Unternehmens mit Hilfe eines zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Buchsachverständigen einen Buchauszug erstellen zu lassen.“

Das Unternehmen hatte hier einen Vorschuss für die Kosten des Sachverständigen zu zahlen. Das OLG hielt eine Vorschussforderung von 12.000 DM für angemessen.

MDR 2000, 167