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Am 8.5.14 war ich bei strahlendem Wetter und erstmalig als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof. Formal war ich lediglich Prozessbevollmächtigter der Vorinstanz. Da es nur etwa 40 auserwählte Rechtsanwälte betrifft, die beim Bundesgerichtshof zugelassen sind, gehöre ich natürlich nicht dazu.
Vorweg: Den Bundesgerichtshof sollte jeder Rechtsanwalt, und vor allem jeder Zivilrechtler einmal erlebt haben.
Denn spätestens jetzt weiß ich auch, wie Revision geschrieben wird.
Der gemeine Zivilrechtler, wie ich es einer bin, kennt grundsätzlich nur Berufungsverfahren. Werden gegen ein Urteil des Amtsgerichtes Rechtsmittel eingelegt, so läuft das Berufungsverfahren vor dem Landgericht. Werden gegen ein landgerichtliches Urteil Rechtsmittel eingelegt, so läuft das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht. Der Bundesgerichtshof ist nur für gesondert zugelassene Verfahren zuständig und prüft die Urteile lediglich in rechtlicher Hinsicht, nicht in tatsächlicher Hinsicht.
Schon der Eingang des Bundesgerichtshofes konnte überzeugen und mir verständlich machen: Hier läuft einiges anders! Der Bundesgerichtshof ist nicht einfach ein Gebäude, sondern ist ein in sich geschütztes Gelände. Bereits der Eingangsbereich bestand aus einem großen,separaten, in sich abgeschlossenen Gebäudekomplex in der Größe manch eines provinziellen Amtsgerichtes.
Auffallend war zunächst die besondere Freundlichkeit der Justizangestellten. Diese verließen sogar das Eingangsgebäude, um mir den Weg zu den Senatssälen zu zeigen. Das erinnerte schon fast mehr an den Service „Erster-Klasse-Hotels“ als die gewohnte graue Justizverwaltung.
Im Mittelpunkt des Geländes befindet sich ein Teich mit einem imposanten Springbrunnen. Auch dies hatte mehr mit einem Erholungspark zu tun, als mit strenger Justiz unseres höchsten deutschen Gerichtes.
Die freundliche Dame „vom Empfang“ brachte mich dann zu dem schloßähnlichen Gebäude, in dem die Senatssäle untergebracht sind. Hohe Türen, weite Treppen, und die Innenarchitektur im klassischen Stil sollen bei dem Besucher wohl eine gewisse Erfurcht hervorrufen. Als Freund klassischer Gerichte fühlte ich mich hier einfach nur gut aufgehoben.
Der interne Ablauf schien dann so, wie ich es von anderen Gerichten gewohnt war, mit ein paar Ausnahmen: Die kleinen Wägelchen, auf denen die Akten untergebracht sind, quietschten nicht. Und die Justizbediensteten, die diese Wägelchen anschoben, trugen sogar teilweise Anzüge. Man merkte also sofort: Hier hat alles noch Ordnung und Stil.
Die Verhandlung fand dann vor 7 interessierten Richtern des Bundesgerichtshofes statt. Ich hatte – was beim Oberlandesgericht nicht immer vorkommt – hier tatsächlich den Eindruck, dass alle Richter informiert waren und den Gang des Verfahrens aufmerksam verfolgten.
Auch die speziell beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwälte pflegten besondere Umgangsformen. Man steht auf, wenn man vor dem Gericht vorträgt bzw. plädiert. Im Gegensatz dazu ist es den „gewöhnlichen“ Anwälten in den niederen Instanzen vorbehalten, einfach sitzen zu bleiben, wenn man spricht.
Da die Revisionsangelegenheit zumindest in einem Punkt ein aus Sicht meiner Mandantschaft besseres Ergebnis hätte erzielen können, wollte auch ich mich in der Sache einbringen. Schnell merkte ich, dass ich offenkundig revisionstechnisch nicht voll auf der Höhe war. Wie in einer Examensprüfung, an die ich mich stark erinnert fühlte, wurde mir zuteil, dass das Gericht sich über diese Dinge, die ich gerade ansprach, keine Gedanken machen dürfe. Schließlich seien diese Punkte in dem zu überprüfenden Urteil nicht einmal genannt worden. Sie dürften also vom Revisionsgericht nicht überprüft werden.
Der Senat wollte es auch nicht gelten lassen, dass die von mir angesprochenen Umstände einen Großteil der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht ausgemacht hätten und – wenn auch in der Entscheidung nicht genannt – so doch für die Entscheidung tragend war. Formal wollte der Senat – trotz meiner Einwände – ausschließlich darauf abstellen, was schriftlich im Urteil verankert war.
Die revisionstechnischen Belehrungen entgegennehmend verließ ich dennoch zufrieden den Gerichtssaal. Schließlich hatte der Bundesgerichtshof die Berechnungsgrundlagen zur Berechnung des Ausgleichsanspruches für die Handelsvertreter bestätigt und damit der Rechtsprechung große Sicherheit gegeben. Und unsere Revision hatte ebenso Erfolg.
Auch wenn der Besuch beim Bundesgerichtshof meinem beruflichen Fortgang nicht zu 100 % dienlich war, so kann ich doch sagen: Ich war da und weiß jetzt zumindest ein bisschen, was da abläuft.
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Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens behauptete eine Versicherungsgesellschaft, über das Vermögen seines Versicherungsnehmers, mit dem gerade über die Zahlung von Krankengeld gestritten wird, sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Daraufhin war der Versicherungsnehmer der Ansicht, diese Behauptung sei falsch und im Übrigen geeignet, ihn herabzuwerten. Er forderte den Versicherer auf, es in Zukunft zu unterlassen, zu behaupten, dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Halle eröffnet wurde.
Der Versicherer entschuldigte sich für die unzutreffende Behauptung.
Beide Parteien waren sich darüber einig, dass der erwähnte Insolvenzeröffnungsbeschluss nicht den Kläger betreffe, sondern eine andere Person.
Der Versicherungsnehmer wies darauf hin, dass sich dies ja bereits schon aus den Geburtsdaten ergebe.
Der Versicherer meinte, er habe sich einfach nur geirrt und er werde die Behauptung nicht aufrecht erhalten.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe meinte, ein Unterlassungsbegehren des Versicherungsnehmers in diesem Fall bestehe nicht, weil von einer Wiederholungsgefahr im konkreten Fall nicht ausgegangen werden könne.
Die Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung setze voraus, dass eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen, ist ein Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassensanspruches und damit materielle Anspruchsvoraussetzung.
Nachdem der Versicherungsnehmer auf die Unrichtigkeit der Behauptung hingewiesen hatte, hat der Versicherer sich sogleich für seine Behauptung entschuldigt und erklärt, dass er diese nicht aufrecht erhalte. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass der entsprechende Vortrag unter Vorlage des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichtes Halle irrtümlich erfolgt sei und insoweit ein Versehen vorliege. Zwar ist dem Versicherungsnehmer zuzugeben, dass bereits anhand des im Insolvenzeröffnungsbeschluss angegebenen Geburtsjahres des betroffenen Insolvenzschuldners leicht zu erkennen war, dass es sich nicht um den Versicherungsnehmer handelte, und dass er auch in Anbetracht der abweichenden Anschrift eine eingehende Prüfung nahegelegen hätte und veranlasst gewesen wäre. Konkrete tatsächliche Anlasspunkte dafür, dass die unzutreffende Behauptung vorsätzlich aufgestellt worden wäre, bestehen hingegen dennoch nicht.
Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe vom 10.06.2014
Aktenzeichen 12 W 30/14
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Die Ergo hat tatsächlich einem Mitarbeiter zeitgleich zwei Verträge zur Unterschrift vorgelegt – einen Arbeitsvertrag und einen Handelsvertretervertrag.
Beide wurden unterschrieben. Wie es weitergeht und welcher nun gilt, wird sich noch zeigen müssen.
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Der Doktor ist tot. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt.
Pohl- der Jurist
Voller Ehrfurcht wurde er von seinen Anhängern einfach nur Doktor genannt. Für mich war er einfach nur promovierter Jurist, ein Berufskollege fast, der sich nach der Promotion für einen anderen als den herkömmlichen Lebensweg entschied. Für andere war er der Gottvater des Finanzvertriebes DVAG.
Pohl – der Doktor
Etwa 700 Vermögensberater habe ich im Laufe der Zeit vertreten und begleitet. Sie haben in mir einen an Widersprüchen kaum zu überbietenden Bild entstehen lassen. Viele sprachen voller Respekt, aber von voller gefühlter Menschlichkeit, wenn sie von ihrem Doktor erzählten. Viele waren stolz, ihn persönlich kennengelernt zu haben. Und sie kannten noch genau die Worte, die Ihnen der Doktor zusagte. So oft hörte ich die Worte: „Wenn es mal ein Problem gibt, können Sie sich gern an mich wenden“.
Und man war begeistert von der Art des Doktors, wie er sich für die Person seines Gesprächsteilnehmers interessierte. Auch wenn er dem einen oder anderen lange Zeit nicht begegnet ist, wusste er dessen Namen und konnte sich noch an Einzelheiten des Vorgespräches erinnern. In Anbetracht von 37000 Mitarbeitern war dies eine für mich kaum nachvollziehbare Leistung.
Pohl – der Gottvater der Vermögensberater
Dennoch war auch die Wirkung für mich nicht mehr verständlich. Es war mehr als nur Respekt, die man dem Dok entgegenbrachte. Es war in meinen Augen für viele Vermögensberater etwas zwischen Vaterfigur und Pathos.
Ein Vermögensberater berichtete mir einmal nach einer Portugal-Incentive-Reise, dass auch der Dok dort in dem Villa Vita Hotel gerade übernachtet hatte und das Schlafzimmer, in dem er geschlafen haben soll, halb geöffnet blieb und manch ein Vermögensberater fast andächtig in dieses Zimmer hineinblickte. Ich empfand diese Schilderung als so besonders, dass ich sie jahrelang nicht vergessen hatte.
Pohl war für viele mehr als nur Chef. Vielleicht wünschte man sich ihn gar nicht als Vorgesetzten, sondern eher als „Ansprechpartner für alle Fälle“. Viele Vermögensberater, die bei mir anriefen, fühlten sich zu Unrecht behandelt. Dies liegt natürlich ein Stück weit in der Natur meines Berufes. Viele hatten massive Existenzängste, einige waren bereits gescheitert. In dieser Phase klagten einige darüber, von der DVAG allein gelassen zu werden. Viele sagten mir, dass sie sicher wären, wenn der Dok dies wüsste, würde ihnen geholfen werden. Diesen Glauben hatten einige sehr lange Zeit.
Für mich war dies nichts weiter als ein großes Stückchen Realitätsverlust. Was hatte man sich vorgestellt in der Finanzdienstleistung? Selbstverständlich geht es bei der DVAG, wie bei anderen Vertrieben und Unternehmen der Branche auch, um Geschäfte – private Probleme der Mitarbeiter sind da nachrangig. Viele Vermögensberater taten sich schwer damit, dies für den Dok nachzuvollziehen. Viele brauchten einige Zeit, um dies wahrzuhaben.
Pohl verfügte offensichtlich über eine gewisse Aura – man kann es auch Magie nennen – andere in seinen Bann zu ziehen. Diese Fähigkeit war für den Ausbau der DVAG sicher von großem Nutzen. Er konnte seine Mitarbeiter nicht nur motivieren, sondern auch verführen.
Pohl – der Fuchs
Schlau und listig ist das Fabeltier Fuchs. Der Dok verstand es, andere für sich einzunehmen. Seine Idee, den Vermögensberater und die Allfinanz ins Leben zu rufen, hat er erfolgreich umgesetzt. Er schuf ein Vermögen von 2,85 Milliarden Euro an. So stehts in Wikipedia.
Die Idee Allfinanz ist im Vermögensberatervertrag verankert. Diesen ließ der Dok juristisch brillant umsetzen. Er beschreibt zwei Aufgaben des Vermögensberaters: Er soll Finanzdienstleistungsverträge vermitteln und er soll Vermögensberater anwerben. Für beides bekommt er Provisionen. Wenn ein angeworbener Vermögensberater seinerseits Mitarbeiter akquiriert, steigt der „alte“ in der Struktur auf. Er profitiert von der gesamten Struktur, die sich unter ihm aufgebaut hat.
Diese Struktur-Idee hat einige Fallstricke: Sie schafft ein künstlich geschaffenes Gefüge der Vermögensberater untereinander. Der in der Struktur aufgestiegene Vermögensberater wird gar teilweise von den Erfolgen seiner unteren abhängig. Rechtlich verbunden ist er mit diesen jedoch nicht. So „fühlt“ manch ein Vermögensberater seinen Betreuer als Vorgesetzten, der es aber rechtlich gar nicht ist.
Es gibt Strukturen, deren Mitarbeiter sich gegenseitig unterstützen. So ist es vorgesehen. Ärger entsteht dann, wenn Neid und Missgunst in der Struktur entstehen. Da die Erfolge der Vermögensberater bis vor Kurzem für die Berufskollegen transparent war, war Ärger mitunter vorprogrammiert. Der Ärger in der so geschaffenen Struktur wird, da die Vermögensberater oft eng zusammenarbeiten und sich gut kennen, eben manchmal auch persönlich ausgetragen.
Wer geht, macht sich unbeliebt. Wegen dieser persönlichen Ebene werden aus Freunden schnell Feinde. Kommt jemand dann auf die Idee, aufzuhören, wirkt sich dies zu allem Überfluss unmittelbar auf das Einkommen des Betreuers aus. Aus privaten Feinden werden dann berufliche Gegner, wenn man sich noch um die Kunden streitet.
Der Vermögensberatervertrag beinhaltet Kündigungsfristen bis zu 4 Jahren. Wer sich mit der DVAG binden will, sollte nicht nur die Kündigungsfristen genau beachten. Spontane Berufswechsel sind, wenn die DVAG sich auf den Bestand des Vertrages beruft, dann nicht möglich. Zugleich sollte der abwanderungswillige Vermögensberater den Vermögensberatervertrag prüfen. Dann wird er darauf stoßen, dass Provisionen zunächst vorschüssig ausgezahlt werden. Und diese Vorschusszahlung entfällt, so steht es im Vertrag, spätestens mit Ende des Vertrages. Mitunter kommt man auf die Idee, dass es schon mit Ausspruch der Kündigung keine Vorschüsse mehr gibt.
Im Klartext heißt dies: Der Vermögensberater darf mitunter noch lange arbeiten, und muss befürchten, dass sein Einkommen in dieser Zeit drastisch, wenn nicht sogar auf null, reduziert wird.
Ein Ausstieg ist dann nur erschwert möglich. Ein Institut, das sich mit der DVAG befasst hatte, sprach sogar vor Jahren von einem Berufsverbot.
Vermögensberater, die aussteigen wollen, wird es immer geben. Vor allem in Zeiten, in denen sich Finanzdienstleistungen konjunkturbedingt nicht gut verkaufen lassen. Auch spielt es eine Rolle, wenn ein Allfinanzangebot nur eine beschränkte Anbieterauswahl zulässt und diese Auswahl teilweise bei den Kunden auf Kritik stößt. So beichtete mir manch ein Vermögensberater, dass er Krankenversicherungen zurzeit schon gar nicht anbieten würde und er bei Kunden in der Kritik stehe, weil er über die Gefahr einer zwangsweise Schließung eines Fonds nicht informiert habe.
Und will man gehen und sich deshalb beruflich anderweitig orientieren, bleibt da noch die Angst vor den oben beschriebenen Folgen. Diese Umstände trieben den einen oder anderen in die Verzweiflung und manch einen haben die existenziellen Ängste krank gemacht.
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Die Vermögensberater wurden sofort informiert.
Prof. Dr. Reinfried Pohl ist am Donnerstagabend im Alter von 86 Jahren gestorben. Sein Herz hatte versagt.
1970 hatte er die Vermögensberatungsgesellschaft gegründet. Die Deutsche Vermögensberatungsgesellschaft hat nach eigenen Angaben 6 Millionen Kunden und ist der größte deutsche eigenständige Finanzvertrieb. Sie vermittelt Versicherungen, Geldanlageprodukte und Bausparverträge.
Sie arbeitet eng mit dem Generali-Konzern zusammen. Dazu gehören die AachenMünchener (als Ausschließlichkeitsvertrieb), die Central und die AdvoCard.
Das Managermagazin schätzte das Vermögen der Familie Pohl zuletzt auf 2,85 Milliarden Euro. Damit war er in der Liste der reichsten Deutschen auf Platz 31 angekommen.
Pohl unterstützte mit Spenden die CDU. Helmut Kohl war nicht nur einer seiner wichtigsten Freunde, sondern auch später in der DVAG tätig. Friedrich Bohl, Kohls ehemaliger Kanzleramtsminister, leitet noch heute den DVAG-Aufsichtsrat. Zum Aufsichtsrat gehört auch der Ex-Bundesfinanzminister Theo Weigl von der CSU.
Reinfried Pohl war nach Spiegel-online umstritten. Sein politischer Einfluss wurde kritisiert. Lange Zeit hatte die Deutsche Vermögensberatung damit dem Negativ-Image „Drückerkolonne“ zu kämpfen, so der Spiegel-online am 13.06.2014.
Prof. Dr. Reinfried Pohl war lange erkrankt. Eine Jubiläumsfahrt seiner Vermögensberater, die auf vier AIDA-Schiffen im September diesen Jahres das Mittelmeer durchkreuzen sollen, wurde bereits auf dieses Jahr vorgezogen.
Pohl studierte Rechtswissenschaften. Hier wurde er im Jahr 1953 zum Dr. jur. ernannt. Im Jahre 2007 wurde ihm vom damaligen hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, der Ehrentitel Professor verliehen. Corts ist seit dem 01.04.2008 Vorstand bei der DVAG.
Pohls Erfolg bestand nicht nur darin, Kunden zu gewinnen, sondern auch Mitarbeiter in „Strukturen“ einzugliedern. Den Begriff Strukturvertrieb wollte er aber nicht gern für die DVAG gelten lassen. Mittlerweile sind für die DVAG 37.000 Vermögensberater aktiv.
Strukturvertrieb bedeutet, dass jeder Vermögensberater einem anderen Vermögensberater zunächst unterstrukturiert wird. Der betreuende Vermögensberater ist gleichsam teilweise für die Schulung und Eingliederung des Angeworbenen verantwortlich. Jeder Vermögensberater soll nicht nur Kunden gewinnen, sondern auch weitere Vermögensberater anwerben. Bei erfolgreicher Anwerbung eines anderen Vermögensberaters steigt der „alte“ Vermögensberater auf. Die höchste Struktur, die erreicht werden kann, ist die des Direktionsleiters. Jeder Vermögensberater auf höherer Stufe profitiert von den Umsätzen der unteren Strukturen.
Damit wird ein Verhältnis eines besonderen „Miteinanders“ der Vermögensberater untereinander geschaffen, ohne dass diese gegenseitig tatsächlich in einem rechtlichen Verhältnis stehen. Ein Vermögensberater ist schließlich Handelsvertreter.
Die mit den Vermögensberatern geschlossenen Verträge wurden teilweise in der Presse kritisiert. Die Vermögensberaterverträge haben – je nach Struktur – oftmals lange Kündigungsfristen, so dass ein schnelles Ausscheiden schon deshalb erschwert ist.
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Am Donnerstag verstarb Dr. Prof. Reinfried Pohl – umstrittene, aber auch schillernde Figur in der Finanzwelt.
Schon in der Vergangenheit – Pohl war seit einigen Jahren erkrankt – wurde im Kreise der Vermögensberater viel über die Zukunft der DVAG gesprochen.
Wie wird die Zukunft der DVAG aussehen, nachdem ihr Gründer und „Urvater“ die Zukunft nun nicht mehr gestalten kann? Wer wird das Unternehmen führen, was wird sich ändern und wird sich möglicherweise die Eigentümerfrage neu stellen? Einige spekulierten bereits darüber, ob nicht sogar ein Verkauf des Unternehmens anstände.
Die Söhne Pohls, Reinfried und Andreas, wandten sich sofort an die 37.000 Vermögensberater mit einem stillen Gruß.
Darin versicherten sie, dass sie das Lebenswerk ihres Vaters fortführen werden. Sie erwähnten, er habe Einzigartiges geschaffen und die Weichen für zukünftigen Erfolgs und steten Wachstum geschaffen.
„Wir werden dies auch zukünftig ganz im Sinne unseres Vaters fortführen. Dafür stehen wir“, heißt es in dem Anschreiben.
Die Beerdigung soll im Kreise der Familie stattfinden.
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Wie mehrere Zeitungen gerade berichten, ist Prof Dr Reinfried Pohl, Gründer der DVAG, verstorben.
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Was gibt es Neues für Handelsvertreter aus dem Gerichtssaal?
Nachdem der Bundesgerichtshof die Grundsätze als Maßstab für die Berechnung des Ausgleichsanspruches bestätig hat, jedoch Abzüge für etwaig eingezahlte Altersvorsorge zugelassen hat, gibt es in diesem Verfahren mehr Rechtssicherheit. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte einen Vertrieb zwischenzeitig zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Währenddessen gab es in der letzten Zeit einige Anerkenntnisurteile. Vermögens- und finanzberatende Handelsvertreter hatten ihre Ansprüche auf Rückzahlung von einbehaltenen Softwaregebühren geltend gemacht. Hier gab es einige Erstattungen.
Währenddessen sind die Abrechnungssysteme großer Vertrieben auf dem Prüfstand. Hier tun sich einige Vertriebe damit schwer, dem Gericht verständlich zu machen, dass ordnungsgemäß über das Rückstellungskonto abgerechnet wurde.
Leider tun sich auch einige Richter damit schwer, die Systematik der Abrechnungen zu verstehen.
Zu guter Letzt bestätigte das Landgericht Frankfurt am Main, dass ein Handelsvertreter dann fristlos kündigen dürfe, wenn der Zugang zum Intranet eingeschränkt wurde und er zuvor den Vertrieb abgemahnt hatte, und dieser der Abmahnung nicht nachkam. Damit bestätigte das Landgericht Frankfurt am Main die Rechtsprechung einiger anderer Land- und Oberlandesgerichte. Das Landgericht München scheint aktuell in einem laufenden Verfahren nicht abgeneigt, sich dem ebenfalls anzuschließen, will darüber aber erst im September entscheiden.
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Ein Unternehmensberater kündigte für einen Mandanten den Bausparvertrag und bat um Auszahlung des Guthabens. Dabei überreichte er eine Vollmacht in Kopie.
Er bekam die Antwort, die Vollmacht werde nicht akzeptiert, der Kunde solle selbst kündigen und der Makler würde unerlaubte Rechtsberatung leisten.
Nach drei Monaten kündigte der Kunde schließlich noch mal persönlich.
Worin die Debeka die unzulässige Rechtsberatung sehen wollte, konnte sie bis heute nicht abschließend aufklären. Eine Beratung, so der Unternehmensberater, hatte es nämlich gar nicht gegeben.
Jetzt will die Debeka die Kündigungsfrist erst ab Zugang der vom Kunden selbst unterschriebenen Kündigung berechnen, also noch weitere 6 Monate.
Als Anwalt bekommt man Zweifel, ob hier das BGB neu erfunden wurde. Denn in § 164 BGB steht: Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
Auf gut deutsch: Die Kündigung durch den Berater als Bevollmächtigter ist zu akzeptieren!
03
Ein Handelsvertreter verlangte die Auszahlung eines Betrages, der als Guthaben seinen Provisionskonto gutgeschrieben war.
Der Vertrieb antwortete:
„Wie Sie der beigefügten Aufstellung entnehmen können, übersteigt die Summe den noch der Provisionshaftung unterliegenen Provisionen (siehe Zeile „erforderliche Provisionsrückstellung“) das Guthaben auf dem Provisionsrückstellungskonto.
Erst wenn das Guthaben auf dem Provisionsrückstellungskonto das haftpflichtige Provisionsvolumen übersteigt (weil Haftungszeiten – mindestens 24 Monate – einzelner Geschäfte abgelaufen sind) werden die Differenzbeträge fällig.
Diese Beträge buchen wir vorm Provisionsrückstellungskonto auf das Diskontkonto um. Sie können dann diese Umbuchungen der zugehörigen Provisionsabrechnungen entnehmen und den jeweils haftungsfrei gewordenen Betrag schriftlich und mit Angabe der gültigen Bankverbindung bei uns anfordern.
Mit freundlichen Grüßen“
02
BGH bestätigt Ankündigung: Alterversorgung mindert Ausgleichsanspruch gem. § 89 HGB
Macht ein Versicherungs-und Bausparkassenvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses von der Möglichkeit Gebrauch, dem Ausgleichsanspruch auf der Basis der zwischen den Spitzenverbänden der Betroffenen Wirtschaftszweige und Handelsvertreter vereinbarten „Grundsätze Sach“, „Grundsätze Leben“, „Grundsätze Kranken“ und „Grundsätze Bauspar“ zu berechnen, deren Geltung zwischen ihm und dem Unternehmer nicht vereinbart ist, so ist eine durch Beiträge des Unternehmers aufgebaute Altersversorgung gemäß Nr. V. der „Grundsätze Sach“, gemäß Nr. V. der „Grundsätze Leben“, gemäß Nr. V. der „Grundsätze Kranken“ und gemäß Nr. VI. der „Grundsätze Bauspar“ ausgleichsmildernd zu berücksichtigen; insoweit ist für eine einzelfallbezogene Billigkeitsabwägung im Sine des § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB alter Fassung kein Raum (Anschluss an Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2011 – VIII. ZR 203/10, NJW-Rückruf 2012, 674).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2014 – VII. ZR 282/12 – Oberlandesgericht Frankfurt
Landgericht Frankfurt


