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OLG Köln macht auf sich aufmerksam
Erst kürzlich verurteilte das Oberlandesgericht die AachenMünchner zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs. Ein Handelsvertreter, der früher für die AachenMünchner tätig war, wollte seinerzeit nicht zur DVAG wechseln. Die AachenMünchner veräußerte Ende 2006 ihren gesamten Außenvertrieb an die DVAG. Der Handelsvertreter wollte dort partout nicht hin. Das OLG Köln entschied zugunsten des Handelsvertreters, dass die AM trotzdem den Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB zahle müsse.
Das OLG Köln beschäftigt sich derzeit auch mit dem Versorgungswerk, der Alters -und Berufsabsicherung der Vermögensberater der DVAG. Auch hier zeichnet sich eine Auffassung ab, die den Vermögenberatern zugute kommt. Die AachenMünchner soll hier nicht so frei walten können, wie sie es will. Sie soll sich die Regelungen, die zwischen DVAG und Vermögensberatern gelten, zurechnen lassen müssen.
Über beide Verfahren werde ich noch berichten.
Jetzt macht das OLG Köln mit einer verbraucherfreundlichen Entscheidung vom 2. September (Az.: 20 U 201/15 und 26 O 468/14) auf sich aufmerksam. Es verbietet bei der Riesterrente in einem nicht rechtskräftigen Urteil die Doppelverprovisionierung. Nun wird sich wohl der BGH damit zu beschäftigen haben. Geklagt hatte der Bund der Versicherten gegen den HDI.
Die Richter urteilten, dass die Tochter des Versicherungskonzerns Talanx über die gezillmerten Abschlusskosten bei Riester-Versicherungen hinaus zusätzliche Gebühren ohne Obergrenze berechnet. Aus der Kalkulation der Abschlusskosten aus den Kundenprämien würden sich zu hohe Abschlusskosten ergeben.
Die streitige, vom OLG für intransparent erklärte, Klausel lautet:
Einen Teil (der Abschlusskosten) verteilen wir in gleich hohe Beträge entsprechend der vereinbarten Prämienzahlungsweise über einen Zeitraum von fünf Jahren, aber nicht länger als bis zum bei Vertragsschluss vereinbarten Rentenbeginn. Den verbleibenden Teil verteilen wir in gleich hohe Beträge entsprechend der vereinbarten Prämienzahlungsweise über die Prämienzahlungsdauer, mindestens jedoch über einen Zeitraum von fünf Jahren, aber nicht länger als bis zum bei Vertragsschluss vereinbarten Rentenbeginn.
Dies verstoße gegen § 169 VVG, der einen Mindestbetrag für Rückkaufswerte bei vorzeitiger Kündigung verlangt. Schließlich sehe die Formulierung keine Obergrenze für die Kosten vor.
Die Klausel sieht bei genauer Betrachtung zwei Provisionen vor. BdV- Chef Axel Kleinlein hält dies für Abzocke. Drei Milliarden hätten die Versicherten allein im Jahre 2015 zu viel gezahlt.
Die Versicherungswirtschaft meint, die berechneten Abschlusskosten lägen tatsächlich weit unter dem zulässigen Höchstsatz von vier Prozent der Beitragssumme. So habe die Branche im Jahr 2014 die Kunden statt mit 7,6 Milliarden Euro nur mit 5,3 Milliarden Euro belastet.
02
OLG Hamm: Maklerbetreuer bekommen Ausgleichsanspruch
OLG Hamm 25.10.2012 Az. I-18 U 193/11
Provisionsrente für selbständige Maklerbetreuer im Versicherungsaußendienst?
OBERLANDESGERICHT HAMM
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I-18 U 193/11
Verkündet am
25.10.2012
In dem Rechtsstreit
[…]
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2012
durch […]
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.05.2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Dortmund – 10 O 221/09 – bezüglich des auf die Erteilung eines Buchauszugs
gerichteten Antrags zu 1. a) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldnerinnen einen Buchauszug über sämtliche Versicherungsverträge
zu erteilen, die ihnen von folgenden Maklern oder Mehrfachgeneralagenten vermittelt worden
sind und nach dem 30.09.2006 zur Abrechnung und Zahlung fällig waren: […] (Agenturnr. 9), […]
(Agenturnr. 46), … .
Der Buchauszug muss für die Sparten Lebens-, Berufungsunfähigkeits- und Rentenversicherungen folgende
Angaben enthalten:
– Name und Anschrift des Versicherungsnehmers,
– Nummer des Versicherungsscheins,
– Art der Versicherung (Risikolebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung etc.),
– Datum des Antrags,
– Ausstellungsdatum der Police,
– Versicherungsbeginn,
– Laufzeit,
– Beitrag,
– Zahlungsweise,
– provisionspflichtige Summe (Beitragssumme, Bewertungsfaktoren),
– Fälligkeit der Beiträge,
– Provisionsstufe in % des vermittelnden Maklers oder Mehrfachgeneralagenten,
– Stornohaftungszeit (in Monaten),
– bei Verträgen mit Dynamisierungsklauseln für jede Beitragsanpassung Datum, Umfang und Laufzeit der
Beitragserhöhung, provisionspflichtige Summe, Provisionsstufe in %o des vermittelnden Maklers oder
Mehrfachgeneralagenten,
– bei Stornierungen deren Datum und Gründe.
Für Sachversicherungen muss der Buchauszug folgende Angaben enthalten:
– Sparte (Haftpflicht-, Kraftfahrzeug-, Unfallversicherungen),
– Name und Anschrift des Versicherungsnehmers,
– Nummer des Versicherungsscheins,
– Datum des Antrags,
– Ausstellungsdatum der Police,
– Versicherungsbeginn,
– Jahresprämie (ohne Versicherungssteuer),
– Fälligkeit der Prämie,
– Eingang der Prämie,
– bei Stornierungen deren Datum und Gründe.
Die weitergehende Klage auf Erteilung eines Buchauszugs wird abgewiesen und die Berufung insoweit
zurückgewiesen.
Im Übrigen wird das am 04.05.2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Dortmund – 10 O 221/09 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung
über den auf Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden Provisionen gerichteten
Antrag zu 1. b) an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; die Entscheidung über die
Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert keine der Parteien mit mehr als 20.000,– EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszuges und Zahlung der sich
aus dem Buchauszug ergebenden Abschlussbeteiligungsprovisionen zzgl. Zinsen, hilfsweise Zahlung
eines Ausgleichsbetrages gem. § 89b HGB.
Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen
gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob der
Kläger überhaupt Handelsvertreter i. S. v. §§ 84 ff. HGB gewesen sei, und ob überhaupt Raum sei für die
Erteilung eines Buchauszuges gem. § 87c Abs. 2 HGB, wenn der Unternehmer keine Provisionsabrechnungen
für den maßgeblichen Zeitraum erteilt habe. Ein entsprechender Anspruch scheide jedenfalls
deshalb aus, da dem Kläger für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Ansprüche
mehr auf Zahlung von Abschlussbeteiligungsprovisionen zustünden. Mit der Beendigung des zwischen
den Parteien geschlossenen Vertrages und der damit verbundenen Einstellung seiner Betreuungstätigkeit
sei die Grundlage für die Zurechnung der zukünftigen Vermittlungserfolge der Makler und Mehrfachgeneralagenten,
dessen Betreuung der Kläger übernommen habe, entfallen. Allein die Tatsache, dass der
Kläger die Agenturverträge und Provisionsvereinbarungen mit den Beklagten vermittelt habe, reiche für
die Zurechnung künftiger Vermittlungserfolge nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine die jeweiligen Vertragsschlüsse
zumindest mittelbar fördernde Tätigkeit, die mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem
„Betreuungsverhältnis“ zu den ihm ehemals unterstellten Maklern und Mehrfachgeneralagenten nicht
mehr gegeben sei. Bei den Abschlussbeteiligungsprovisionen, die für die Zeit nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses beansprucht würden, handle es sich nicht um sog. Überhangprovisionen für Geschäfte,
die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden. Die Voraussetzungen
des § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB lägen nicht vor, da die Versicherungsverträge weder auf vorbereitende
Maßnahmen des Klägers noch auf eine sonstige die Abschlüsse zumindest mittelbar fördernde Tätigkeit
zurückzuführen sei. Auch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Ausgleichsanspruch aus § 89b HGB
bestehe nicht. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er, wenn der Vertrag nicht gekündigt worden wäre,
noch Ansprüche auf Zahlung einer Beteiligungsprovision aus den während der Vertragszeit vermittelten
neuen Versicherungsverträgen zu erwarten hätte. Unter Berücksichtigung der Provisionsbestimmungen,
die Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages seien, spreche alles dafür, dass der Kläger
während der Dauer der Vertragszeit für die Vermittlung der neuen Verträge jeweils eine abschließende
Einmalprovision als Abschlussbeteiligungsprovision erhalten habe.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter. Der Maklerbetreuervertrag
vom 04./09.04.2003 unterliege Handelsvertreterrecht schon deshalb, weil die Parteien dies
selbst durch den Verweis auf §§ 84 ff. HGB bestimmt hätten. Überdies entspreche die Tätigkeit des Klägers
sowohl nach den vertraglichen Vereinbarungen als auch der tatsächlichen Vertragspraxis derjenigen
eines Handelsvertreters i. S. v. § 84 Abs. 1 HGB. Gegenstand eines Handelsvertretervertrages könnten
auch die Vermittlung und der Abschluss von Vertriebsmittlerverträgen sein, z. B. zum Aufbau eines sog.
Strukturvertriebs. Zudem sei die Tätigkeit des Klägers als mitursächlich für den Abschluss der Versicherungsverträge
durch die von ihm angeworbenen Vertriebsmittler anzusehen. Entgegen der Auffassung
des Landgerichts verlange der Kläger gar keine Überhangprovisionen gem. § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
HGB, sondern Provisionen für während der Vertragslaufzeit abgeschlossene Geschäfte gem. § 87 Abs. 1
Satz 1 HGB. Es sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen, die an der Zuführung von
Vertriebsvermittlern durch den Kläger anknüpfe. Die Abschlussbeteiligungsprovisionen seien bereits bedingt
durch die Vermittlung der Geschäftsverbindungen zu den Maklern und Mehrfachagenten entstanden
und durch die Kündigung nicht weggefallen. Da vertraglich kein Provisionsverzicht vorgesehen sei,
könne der Kläger so lange Abschlussbeteiligungsprovisionen verlangen, wie die Verträge mit den von
ihm akquirierten Vertriebsvermittlern liefen und daraus zugunsten der Beklagten Versicherungsverträge
generiert würden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien diese Provisionsansprüche nicht von
einer fortlaufenden Betreuung der geworbenen Makler und Mehrfachgeneralagenten abhängig. Weder
dem Wortlaut des Maklerbetreuervertrages vom 04./09.04.2003 noch der zwischen den Parteien „gelebten“
Vertragspraxis lasse sich eine entsprechende Einschränkung entnehmen. Die Provisionen seien
allein aufgrund des Vermittlungserfolges der zugeführten Makler und Mehrfachgeneralagenten unabhängig
davon gezahlt worden, ob und in welchem Umfang der Kläger Betreuungsleistungen erbracht habe.
Jedenfalls gingen Auslegungszweifel zu Lasten der Beklagten, da es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen
handle (§ 305c Abs. 2 BGB). Andernfalls hätten die Beklagten es in der Hand, den Provisionsanspruch
des Klägers dadurch zu vereiteln, dass sie das Vertragsverhältnis kündigten, nachdem der
Kläger ihnen erfolgreich mehrere Vertriebsmittler zugeführt habe, bevor diese ihre Vertriebstätigkeit entfaltet
hätten. Bei einer derartigen Auslegung würden die Provisionsbestimmungen den Kläger unangemessen
benachteiligen und müssten als unwirksam gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verworfen werden.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 04.05.2011 – 10 O 221/09 – aufzuheben und die Beklagten
im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
a) ihm einen Buchauszug gem. § 87c Abs. 2 HGB zu erteilen, der Auskunft über alle Geschäfte gibt, die
die ihm von den Beklagten während der Laufzeit seines Vertragsverhältnisses unterstellten Makler und
Mehrfachagenten für die Beklagten vermittelt haben und für die die Abschlussbeteiligungsprovision nach
dem 30.09.2006 zur Abrechnung und Zahlung fällig war, wobei der Buchauszug folgende Punkte enthalten
muss:
(1) für die Sparte Lebens-, Berufungsunfähigkeits- und Rentenversicherungen:
– Name und Anschrift des Versicherungsnehmers,
– Nummer des Versicherungsscheins,
– Art der Versicherung (Risikolebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung etc.),
– Datum des Antrags,
– Ausstellungsdatum der Police,
– Versicherungsbeginn,
– Laufzeit,
– Beitrag,
– Zahlungsweise,
– provisionspflichtige Summe (Beitragssumme, Bewertungsfaktoren),
– Fälligkeit der Beiträge,
– Provisionsstufe in %o des vermittelnden Maklers oder Mehrfachgeneralagenten,
– Abschlussbeteiligungsprovisionssatz des Klägers,
– Stornohaftungszeit (in Monaten),
– bei Verträgen mit Dynamisierungsklauseln für jede Beitragsanpassung Datum, Umfang und Laufzeit der
Beitragserhöhung, provisionspflichtige Summe, Provisionsstufe in %o des vermittelnden Maklers oder
Mehrfachgeneralagenten und Abschlussbeteiligungsprovisionssatz des Klägers,
– bei Stornierungen deren Datum und Gründe, das Datum der Stornogefahrmitteilung an den vermittelnden
Makler oder Mehrfachgeneralagenten und die ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen (Kundenbesuch
bzw. Kundengespräch mit Datum und Ergebnis),
(2) für Sachversicherungen:
– Sparte (Haftpflicht-, Kraftfahrzeug-, Unfallversicherungen),
– Name und Anschrift des Versicherungsnehmers,
– Nummer des Versicherungsscheins,
– Datum des Antrags,
– Ausstellungsdatum der Police,
– Versicherungsbeginn,
– Jahresprämie (ohne Versicherungssteuer),
– Fälligkeit der Prämie,
– Eingang der Prämie,
– Abschlussbeteiligungsprovisionssatz des Klägers,
– bei Stornierungen deren Datum und Gründe, das Datum der Stornogefahrmitteilung an den vermittelnden
Makler oder Mehrfachgeneralagenten und die ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen (Kundenbesuch
bzw. Kundengespräch mit Datum und Ergebnis).
b) und ihm die sich aus dem Buchauszug ergebenden, noch zu beziffernden Abschlussbeteiligungsprovisionen
zzgl. 5 % Zinsen seit Fälligkeit und Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 19.12.2009 zu zahlen,
2. hilfsweise das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 04.05.2011 –
10 O 221/09 – aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, ihm einen Ausgleichsanspruch aus § 89b
HGB in Höhe von 87.291,36 EUR zzgl. 5 % Zinsen vom 01.10.2006 bis zum 16.11.2009 und Verzugszinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2009 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Tätigkeit des Klägers unterliege nicht dem Handelsvertreterrecht, soweit sie die
Betreuung von Maklern und Mehrfachgeneralagenten betroffen habe, da sie nicht auf den Abschluss von
Versicherungsverträgen, sondern allein auf die Betreuung von Vertragspartnern der Beklagten ausgerichtet
sei. Sie sei auch nicht mit der Tätigkeit eines Generalvertreters gleichzusetzen, da der Kläger keinerlei
Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse über die von ihm betreuten Makler und Mehrfachagenten ausgeübt
habe. Dabei habe es sich nicht um echte oder unechte Untervertreter gehandelt, sondern um selbständige
Handelsmakler i. S. v. § 93 HGB. Jedenfalls könne die Anwerbung und Betreuung von Maklern und
Mehrfachgeneralagenten nicht Anknüpfungspunkt für Provisionsansprüche eines Handelsvertreters gem.
§§ 87 ff. HGB sein. Provisionspflichtig könnten nur Vertragsbeziehungen zwischen dem Unternehmer und
dem Kunden, nicht aber Courtagezusagen oder Agenturverträge mit Maklern und Agenten sein. Schließlich
stünden dem Kläger nach der Vertragsbeendigung keine Provisionsansprüche mehr zu, da er aus
der Betriebsstruktur der Beklagten ausgeschieden und eine Betreuung der dem Kläger unterstellten Makler
und Mehrfachgeneralagenten nicht mehr möglich sei. Diese laufende Betreuung und nicht die Akquise
neuer Vermittler sei die wesentliche, nach dem Maklerbetreuervertrag vom 04./09.04.2003 geschuldete
Leistung, die auch in der tatsächlich „gelebten“ Umsetzung des Vertrages im Vordergrund gestanden
habe. Der Kläger habe als „Maklerbetreuer“ die Funktion des früheren „Orgaleiters“ übernommen, dessen
Kernaufgabe die Unterweisung und Betreuung der ihm unterstellten Vermittler gewesen sei und der daher
auch nur bis zur Beendigung seiner Tätigkeit vergütet wurde, solange er diese Leistung noch erbringen
konnte. Die Tätigkeit des Klägers unterscheide sich davon lediglich dadurch, dass er den ihm zugeordneten
Vermittlern gegenüber nicht weisungsbefugt sei, woraus indes eine Rechtfertigung für eine
unterschiedliche Vergütung nicht herzuleiten sei. Dass auch bei den „Maklerbetreuern“ die Betreuungstätigkeit
das einzige Vergütungskriterium sei, zeigten die Provisionsbestimmungen, die nicht zwischen den
Vermittlern unterschieden, die der Kläger angeworben habe, und jenen, die ihm bereits zu Beginn seiner
Tätigkeit für die Beklagten zugeordnet gewesen seien. Wenn überhaupt, dann könne der Kläger den
Buchauszug nur für die von ihm zugeführten Makler und Mehrfachgeneralagenten verlangen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll zur.
mündlichen Verhandlung vom 12.07.2012 einschließlich des Berichterstattervermerks Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520
ZPO), und teilweise auch begründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges für die von ihm akquirierten Makler und
Mehrfachgeneralagenten aus § 87c Abs. 2 HGB.
a) Der Kläger ist Handelsvertreter i. S. v. § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB. Er ist aufgrund des Maklerbetreuervertrages
vom 04./09.04.2003 als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut gewesen, für die
Beklagten Geschäfte zu vermitteln, nämlich „Verbindungen zu geeigneten Maklern und Mehrfachgeneralagenten
mit dem Ziel herzustellen, dass diese in vertragliche Beziehungen zu den VB-Unternehmen [den
Beklagten] treten und für die VB-Unternehmen Versicherungen vermitteln“ (Ziff. II. Abs. 1 S. 1 des Vertrages).
Gegenstand eines Handelsvertretervertrages kann auch die Vermittlung von Dienstleistungen sein
(MüKoHGB- von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2008, § 84 Rn. 61; Küstner/Thume-Schürr, Handbuch des
gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2012, Kap. I Rn. 38). Die vom Kläger i. S. v. §§ 84 Abs. 1 Satz 1,
86 Abs. 1 HGB vermittelten Geschäfte sind die Rechtsbeziehungen, die die Beklagten mit den vom Kläger
akquirierten Maklern und Mehrfachgeneralagenten eingegangen sind. Der Vertreter der Beklagten hat
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert, dass durch das Modell des Maklerbetreuers der
klassische „Orgaleiter“ abgelöst worden sei, der selbst noch in nennenswertem Umfang operativ im
Rahmen der Vertragsvermittlung tätig geworden sei. Die vom Maklerbetreuer .angeworbenen Vermittler
würden auf ihre Eignung geprüft und im Erfolgsfall im System der Beklagten registriert und mit einer
Agenturnummer geführt, wenn auch die Makler im Gegensatz zu den Mehrfachgeneralagenten anschließend
dem Einfluss der Beklagten weitgehend entzogen seien. Dies macht deutlich, dass durch die Vermittlungstätigkeit
des Klägers entweder bereits Maklerverträge i. S. v. § 652 BGB bzw. § 93 HGB oder
zumindest rahmenvertragliche Rechtsbeziehungen zwischen den Maklern und Mehrfachgeneralagenten
auf der einen und den Beklagten auf der anderen Seite zustande gekommen sind, die wiederum im Einzelfall
Grundlage für den späteren Abschluss von Versicherungsmakler- bzw. Versicherungsvertreterverträgen
geworden sind.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass das bloße Schaffen von Geschäftsbeziehungen, Kontaktpflege und
Kundenbetreuung ohne Vermittlung von Einzelgeschäften nicht die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1
Satz 1 HGB erfüllt, sondern nur dem Dienstvertragsrecht unterfällt (Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl. 2012,
§ 84 Rn. 23; BGH, Urt. 19.05.1982 – 1 ZR 68/80 – NJW 1983, 42, unter II. 2.). Der Kläger leitet seine Provisionsansprüche
nicht unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung mittelbar aus den Vertragsabschlüssen
her, die die ihm zugeordneten Vermittler erzielt haben, sondern unmittelbar aus der vertraglichen
Beziehung der Beklagten zu den Maklern und Mehrfachgeneralagenten, die er angeworben hat.
Deren Geschäftsabschlüsse sind nicht für das Entstehen des Provisionsanspruchs von Belang, sondern
nach den Provisionsbestimmungen der Beklagten lediglich für die Höhe der Abschlussbeteiligungsprovisionen
maßgeblich.
Von einem entsprechenden Verständnis sind die Parteien bei Abschluss des Handelsvertretervertrages
vom 04./09.04.2003 auch ausgegangen. Dies ergibt sich bereits aus dem Titel des Vertrages „für selbständige
Maklerbetreuer“ und der ausdrücklichen Bezugnahme auf die §§ 84 ff. HGB in der Präambel
unter Ziff. I. des Vertrages, die erkennbar der Klarstellung der rechtlichen Grundlagen der rechtlichen
Beziehungen der Parteien diente und nicht – wie die Beklagte meint – lediglich der Abgrenzung zu einer
abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer oder eine Tätigkeit mit Weisungsbefugnis gegenüber den
Vermittlern wie der frühere „Orgaleiter“. Die Bezeichnung als „Maklerbetreuer“ und die Beschreibung der
weiteren Leistungspflicht in Ziff. II Abs. 1 S. 2 des Vertrages, wonach der Kläger „darüber hinaus […] die
laufende Betreuung der durch seine Mitwirkung […] tätig gewordenen Makler und Mehrfachgeneralagenten“
schuldete, sowie die Formulierung in den Provisionsbestimmungen, dass die Abschlussbeteiligungsprovisionen
„für alle durch Vermittler der ihm unterstellten Organisation vermittelten Versicherungen“
gezahlt werden, stehen der Anwendbarkeit des Handelsvertreterrechts nicht entgegen, sondern
belegen nur, dass die Tätigkeit des Klägers mit den Elementen der Akquise und Betreuung bifunktional
ausgestaltet war. Allein der Aspekt der Zuführung neuer Vermittler unterfällt jedenfalls dem Regime der §§
84 ff. HGB, ohne dass es darauf ankommt, worauf nach der vertraglichen Konzeption oder der „gelebten“
Vertragspraxis der tatsächliche Tätigkeitsschwerpunkt gelegen hat.
b) Für die Zuführung neuer Vermittler während der Vertragslaufzeit kann der Kläger auch nach Beendigung
des Vertragsverhältnisses zum 30.09.2006 gem. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 1 Satz 1 HGB weiterhin
Provisionen verlangen.
Die Zuführung der Makler und Mehrfachgeneralagenten ist ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes
Geschäft i. S. v. § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB, das auf die Tätigkeit des Klägers zurückzuführen
ist. Die vertragliche Beziehung der Vermittler mit den Beklagten ist während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses
zustande gekommen, und zwar unabhängig davon, wann die Versicherungsverträge
zustande kommen, die von den Maklern oder Mehrfachgeneralagenten nachgewiesen oder vermittelt
werden. Demnach kann der Kläger für die Akquise eines jeden Vermittlers Provision verlangen, auch
wenn und soweit dieser erst nach seinem Ausscheiden zum 30.09.2006 die Produkte der Beklagten vermarktet
hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es daher auch nicht auf die Voraussetzungen
des § 87 Abs. 3 HGB an. Das provisionspflichtige Geschäft ist bereits die Herstellung der Verbindung
zwischen den Vermittlern und den Beklagten; daher handelt es sich nicht um Überhangprovisionen,
die für nach Vertragsbeendigung abgeschlossene Geschäfte zu gewähren sind. Durch die von den Vermittlern
erzielten Abschlüsse, die auch nach Vertragsbeendigung stattfinden können, bemisst sich lediglich
die Höhe der vom Kläger bereits während der Vertragslaufzeit verdienten Provision für die Zuführung
des jeweiligen Vermittlers. Dies hat zwar zur Folge, dass der Kläger ohne zeitliche Begrenzung Provisionen
verdient, solange die von ihm angeworbenen Makler und Mehrfachgeneralagenten für die Beklagten
tätig sind. Aus diesem Umstand ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten schon deshalb
kein Gesichtspunkt, der gegen die Zuerkennung des Provisionsanspruchs spricht, da in dem Handelsvertretervertrag
gerade keine zeitliche Beschränkung der nach Vertragsbeendigung zu zahlenden
Provisionen vereinbart worden ist. Den Parteien hätte es frei gestanden, in die Provisionsbestimmungen
auf diesen Fall ausgerichtete Vergütungsregelungen aufzunehmen oder eine in den Grenzen der § 87a
Abs. 5 HGB zulässige Provisionsverzichtsklausel zu vereinbaren, wie dies gerade im Versicherungsgewerbe
verbreitet und üblich ist (vgl. Graf von Westphalen, Provisionsverzichtsklauseln im Spannungsverhältnis
zum Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters, DB 2003, 2319 ff.).
Dass der Kläger nach dem Maklerbetreuungsvertrag vom 04./09.04.2003 auch zur Betreuung der ihm
unterstellten Vermittler verpflichtet war, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr möglich
und geschuldet ist, steht entgegen der Auffassung des Landgerichts den Provisionsansprüchen nicht
dem Grunde nach entgegen, sondern wirkt sich (allenfalls) auf ihre Höhe aus. Die Frage, ob die dem
Kläger zustehenden Abschlussbeteiligungsprovisionen unter dem Aspekt des Wegfalls der Betreuungspflicht
um einen Verwaltungsanteil zu kürzen sind, betrifft allein die zweite Stufe der Klage, über die nach
Erteilung des Buchauszuges zunächst das Landgericht zu verhandeln und entscheiden hat.
c) Demnach kann der Kläger gem. § 87c Abs. 2 HGB die Erteilung eines Buchauszuges für sämtliche
Geschäfte verlangen, die die von ihm während der Vertragslaufzeit angeworbenen Makler und Mehrfachgeneralagenten
vermittelt haben.
aa) Er muss sich nicht – wie das Landgericht erwogen hat – auf einen Anspruch auf Abrechnung aus §
87c Abs. 1 HGB verweisen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und der herrschenden
Meinung im Schrifttum ist zwar eine vorherige Abrechnung Voraussetzung für die Erteilung des Buchauszugs,
die jedoch als gegeben anzusehen ist, wenn der Unternehmer erklärt, die zu erstellende Abrechnung
ergebe für den fraglichen Zeitraum keine Provisionsansprüche zugunsten des Handelsvertreters
und dieser diese Mitteilung als Provisionsabrechnung hinnimmt (Senat, Urt. v. 17.12.2009 – 18 U 126/07 –
BeckRS 2010, 02540, unter IV. 1., Rn. 106; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87c Rn. 18; Löwisch, a.a.O., § 87c
Rn. 67; Kästner/ Thume- Riemer, a.a.O., Kap. VI Rn. 103 m.w.N.). Nicht anders ist der vorliegende Fall zu
beurteilen, in dem die Beklagten in Abrede gestellt haben, dass dem Kläger für die Zeit nach Vertragsbeendigung
überhaupt noch Provisionsansprüche zustehen und im Hinblick darauf keine Abrechnung erteilt
haben.
bb) Dem Umfang nach ist der mit dem Klageantrag zu 1. a) geltend gemachte Auskunftsanspruch im
Wesentlichen begründet.
In den Buchauszug sind sämtliche Angaben aufzunehmen, die sich aus den verfügbaren schriftlichen
Unterlagen über die fraglichen Geschäfte ergeben und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für
die Berechnung der Provision von Bedeutung sein können (BGH, Urt. v. 21.03.2001 – VIII ZR 149/99 –
NJW 2001, 2333, 2334, Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87a Rn. 15; Löwisch, a.a.O., § 87a Rn. 68, jew.
m.w.N.). Demnach kann der Kläger insbesondere sämtliche Details über die Versicherungsverträge verlangen,
die die von ihm akquirierten Vermittler abgeschlossen haben, die nach den Provisionsbestimmungen
der Beklagten für die Berechnung der Abschlussbeteiligungsprovisionen maßgeblich sind, namentlich
um welche Art von Versicherungsvertrag es sich handelt (Lebens- oder Sachversicherung), mit
welcher Beitragssumme und Laufzeit der Vertrag geschlossen worden ist und in welche Provisionsstufe
der vermittelnde Makler oder Mehrfachgeneralagent eingruppiert ist, da die Höhe der Abschlussbeteiligungsprovisionen
auch von dem Provisionssatz abhängig ist, der dem Vermittler gegenüber den Beklagten
vertraglich zusteht.
Nicht in den Buchauszug aufzunehmen ist dagegen der Provisionssatz; ihn muss der Vertreter anhand
der übrigen Angaben selbst errechnen (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87c Rn. 15). Insoweit war daher nicht
nach dem Klageantrag zu erkennen.
Zudem vermag der Senat eine rechtliche Grundlage für die Mitteilung der Stornogefahrmitteilungen und
Bestandserhaltungsmaßnahmen nicht zu erkennen. Während ein Versicherungsvertreter durch die Stornogefahrmitteilung
Gelegenheit zur Nachbearbeitung notleidender Verträge erhält, um trotz der Stornierung
noch eine Provision ins Verdienen zu bringen (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O., § 87a Rn. 27 m.w.N.), ist
die Situation bei (Versicherungs-) Maklern i. S. v. § 93 HGB grundlegend anders, deren Provisionsansprüche
von der nachträglichen Stornierung des Hauptvertrages nicht berührt werden. Dass für die dem
Kläger zustehenden Abschlussbeteiligungsprovisionen, die sich aus den Geschäftsabschlüssen der ihm
zugeordneten Vermittler ergeben, etwas anderes gilt, ergibt sich weder aus den Provisionsbestimmungen
des Vertrages vom 04./09.04.2003 noch aus dem sonstigen Vorbringen des Klägers.
2. Die auf Erteilung eines weitergehenden Buchauszugs gerichtete Berufung war dagegen als unbegründet
zurückzuweisen. Über die von den übrigen Vermittlern geschlossenen Geschäfte, die der Kläger bereits
bei Begründung des Handelsvertreterverhältnisses vorgefunden hat und deren Betreuung ihm oblag,
kann der Kläger keinen Buchauszug gem. § 87c Abs. 2 HGB verlangen, da in Bezug auf diese nach
Vertragsbeendigung keine Provisionsansprüche mehr in Betracht kommen.
Die Makler und Mehrfachgeneralagenten, die der Kläger nicht selbst angeworben hat, die ihm aber
gleichwohl in der Betriebsstruktur der Beklagten zugeordnet waren, hatte er nach dem Maklerbetreuervertrag
vom 04./09.04.2003 lediglich zu betreuen. Damit schuldete er den Beklagten nur eine Dienstleistung
i. S. v. §§ 611 Abs. 2, 675 Abs. 1 BGB und hat ihnen kein provisionspflichtiges Geschäft i. S. v. §§ 87
Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 1 Satz 1 HGB vermittelt. Für die Betreuung ohne gleichzeitige Zuführung kann
der Kläger gem. §§ 611 Abs. 1, 614 BGB Vergütung nur bis zum Wirksamwerden der Kündigung vom
01.06.2006, also nicht mehr für die Zeit nach dem 30.09.2006 verlangen. Dies gilt unabhängig davon, ob
und in welchem Umfang die Tätigkeit des Klägers bei den Vermittlern zu einer Umsatzsteigerung geführt
hat. Dieser Gesichtspunkt mag es – wie der Kläger meint – im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lassen,
von einer Intensivierung i. S. v. § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB auszugehen; dies ist jedoch nur für den Umfang
des Ausgleichsanspruchs aus § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB von Belang und führt nicht zur Begründung von
Provisionsansprüchen gem. §§ 87, 87a HGB. Den Ausgleichsanspruch aus § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB hat
der Kläger jedoch nur hilfsweise geltend gemacht, und über den Hilfsantrag hatte der Senat nicht zu
entscheiden, nachdem bereits dem Hauptantrag (teilweise) stattzugeben war.
3. Demnach waren .die Beklagten, die für die Erteilung des Buchauszuges gem. § 421 BGB gesamtschuldnerisch
haften, auf der ersten Auskunftsstufe der Klage nach § 254 ZPO zu verurteilen. Insoweit
war das Urteil des Landgerichts abzuändern und im Übrigen aufzuheben und der Rechtsstreit im Umfang
der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 538
Abs. 2 Nr. 4, 2. Alt. ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.1981 – I ZR 34/79
– NJW 1982, 235, 236, unter II. 4., juris, Rn. 50); Urt. v. 03.05.2006 – VIII ZR 168/05 – NJW 2006, 2626,
2627, Rn. 13 ff.; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 254 Rn. 13; § 538 Rn. 48).
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 11,
713 ZPO.
Im Rahmen der Kostenentscheidung ist der Senat – ausgehend von der Gegenüberstellung der vom
Kläger neu akquirierten mit den seiner Ansicht nach i. S. v. § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB intensivierten Vermittlern
in der Anlage K 9 zum Schriftsatz vom 24.09.2010 – davon ausgegangen, dass die auf die vom
Kläger zugeführten Vermittler entfallenden Umsätze mit dem von ihm übernornmenen Bestand quantitativ
in etwa gleichwertig sind.
Gründe für die Zulassung der Revision vermochte der Senat nicht zu erkennen. Die Sache hat weder
grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des
Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1,
Nr. 2 ZPO). Sie betrifft durch die Ausgestaltung in dem Maklerbetreuervertrag vom 04./09.042003 einen
besonders gelagerten Einzelfall und gibt keinen Anlass, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen
des materiellen Rechts oder des Prozessrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen.
Weder die angefochtene Entscheidung des Landgerichts noch die Rechtsauffassung des Senats
weichen von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.
26
Neu ist nicht immer ganz neu: EuGH stärkt Rechte des Handelsvertreters beim Ausgleichsanspruch
Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des EuGH vom 07.04.2016 unter dem Aktenzeichen C-315/14 war die Frage, wann ein Kunde als „neu“ im Sinne des Ausgleichsanspruchs gilt.
Kläger ist ein Handelsvertreter, Beklagte ist Großhändlerin und handelt unter anderem mit Brillengestellen verschiedener Marken, die sie durch Handelsvertreter an Optiker vertreiben lässt. Zu Beginn eines Vertragsverhältnisses wurden dem Handelsvertreter bereits viele Kunden überlassen, die jedoch ursprünglich nicht die Marken kauften, die der klagende Handelsvertreter anbot, sondern andere Marken aus dem hause der Beklagten. Der Handelsvertreter war ein Optiker, der nur eine bestimmte Marke von Gestellen vertreiben durfte. Dazu wurde ihm zu Beginn eine Liste mit Kunden überreicht, die zwar schon Kunden seien, aber ausschließlich andere Marken bezogen hatten.
Der EuGH sagte, dass dies Neukunden seien und legte die Richtlinie handelsvertreterfreundlich aus.
Artikel 17 Abs. 2 der EU-Richtlinie 86/653/EWG regelt, dass der Handelsvertreter Anspruch auf einen Ausgleich hat, wenn und soweit er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat ….
„Art. 17 II der Handelsvertreterrichtlinie (RL 86/653/EWG) ist dahin auszulegen, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbene Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhielten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat“ .
Übrigens: Wenn der EuGH vom Schadenersatz schreibt, meint er eigentlich den Ausgleichsanspruch. Er bezeichnet diesen nur anders als die deutsche Gesetzgebung. Die europ. Richtlinie stellt den Gesetzgebern die Wahl frei.
19
OLG Hamm zu Ausgleichsansprüchen bei Tankstellenbetreibern
Versicherungsvertreter sind bei der Berechnung von Ausgleichsansprüchen gegenüber Warenvertretern in mancher Hinsicht benachteiligt. Es gibt für Versicherungsvertreter keine genauen Berechnungsgrundlagen (Ausnahme die „Grundsätze“). Mit Neid blickt man da auf den Handelsvertreter, der waren verkauft. Dass dieser Blick eine Fehleinschätzung ist und dass die Berechnung von Ausgleichsansprüchen voller Fallstricke ist, zeigt jetzt eine Entscheidung des OLG Hamm vom 21.1.2016.
Es geht allgemein um die Frage, ob einem Franchisenehmer Ausgleichsansprüche zustehen, ob es einen Ausgleich für das Ladengeschäft gibt und für die Waschstraße, für Geschäfte mit überwiegend anonymen Kunden also. Erstinstanzlich wurden Ausgleichsansprüche für die Waschstraße und den Shop abgewiesen. Das Urteil wurde durch das OLG bestätigt.
Hier ein paar Auszüge der Entscheidung:
1. Waschstraße
„Der Kläger hat die Waschanlage gem. Ziff. 17.2 des Tankstellenvertrags im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben. Er war insoweit nicht Handelsvertreter der Beklagten, mag diese ihr auch die Waschanlage gestellt haben, so dass sich der Kläger nicht auf die Regelung des § 89 b HGB in direkter Anwendung berufen kann. Anders läge es nur dann, wenn das sog. Waschgeschäft eine im Hinblick auf das eigentliche Tankstellengeschäft, also den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen („Agenturwaren“), solchermaßen unselbstständige Betätigung darstellte, dass trotz der vom Agenturgeschäft gesonderten rechtlichen Ausgestaltung als „Eigengeschäft“ eine Differenzierung im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nicht hinnehmbar wäre oder gar als unzulässiger Ausschluss eines Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB aufzufassen wäre.
Für eine solche Betrachtungsweise fehlt es jedoch an tragfähigen Anhaltspunkten. Der Betrieb der Waschanlage mag in das Marketingkonzept der Beklagten gehören, doch ändert dies nichts daran, dass der eigentliche Tankstellenbetrieb davon rechtlich und tatsächlich unabhängig ist. Die Vorhaltung der Waschanlage stellte auch im Rahmen des Tankstellenvertrags mit dem Kläger ein zusätzliches Serviceangebot an Autofahrer dar, das für den Pächter mit spezifischen Chancen und Risiken verbunden ist, die beim eigentlichen „Tankgeschäft“ nicht auftreten. Entscheiden sich die Vertragspartner bei dieser Sachlage dazu, dass der Pächter das Waschgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt, schließt es diese Regelung aus, den Pächter gleichwohl auch insoweit als Handelsvertreter anzusehen.
Indes kann nach herrschender Auffassung auch die Absatztätigkeit eines Vertrags- oder Eigenhändlers zu Ausgleichsansprüchen in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB führen (z.B. BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, NJW 2015, S. 1300, Rn. 11; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 HGB Rn. 11ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 89 b, Rn. 213). Die Entstehung eines solchen Ausgleichsanspruchs erfordert jedoch zum einen die Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/Lieferanten dergestalt, dass der Partner bzw. Vertragshändler/Franchisenehmer „wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat“, und setzt zum anderen die Verpflichtung voraus, dem Unternehmer spätestens bei Vertragsende den Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser die „Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann“ (BGH, Urt. vom 22.10.2003, Az. VIII ZR 6/03, NJW-RR 2004, S. 898; Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, a.a.O.).
Ferner hat der Bundesgerichtshof, der zunächst offengelassen hatte, ob beim Franchising anstelle der rechtlichen Verpflichtung das tatsächliche Verbleiben des Kundenstammes beim Franchisenehmer ausreicht (NJW 1997, 3304 – „Benetton“), im soeben genannten Urteil vom 5.2.2015 (Az. VII ZR 109/13) festgestellt, dass bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstammes nach Vertragsbeendigung die entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89 b HGB nicht rechtfertigt. Diese Entscheidung betraf Ausgleichsansprüche aus dem Betrieb zweier Backshops im Rahmen eines Franchisesystems. Sie ist jedoch auch auf den vorliegenden Fall anwendbar:
Auch bei dem Betrieb der Autowaschanlage auf der Station Am Südring in E handelte es sich um ein anonymes Massengeschäft im Sinne des Bundesgerichtshofs. Da der Kläger zu einer „Übertragung des Kundenstamms“ der Waschanlage nicht verpflichtet war, eine solche nicht vornehmen konnte und auch nicht vorgenommen hat, scheitern Ausgleichsansprüche für das Waschgeschäft bereits aus diesem Grund.
Soweit der Kläger im Rahmen des Betriebs der Waschanlage „Waschkarten“ (mit dem Versprechen einer Gratiswäsche nach einer bestimmten Anzahl von Wäschen) ausgegeben sowie (Wasch-)Umsätze auch mit sog. Stationskreditkunden erzielt hat, ergibt sich daraus auch nicht teilweise eine andere rechtliche Bewertung: Denn die Ausgabe von Waschkarten selbst führt nur zu einer faktischen Bindung der betreffenden Kunden; diese selbst bleiben anonym.
Aus solchen „Kundenbindungsmechanismen“ folgt jedenfalls keine Verpflichtung des Pächters, den Kundenstamm zu übertragen, die für die Existenz eines Ausgleichsanspruchs entscheidend ist (BGH, a.a.O., Az. VII ZR 109/13 Rn. 14). An dieser Verpflichtung fehlt es auch bezüglich der Stationskreditkunden. Die Beziehung zu ihnen wird und darf der Pächter mit Aufgabe der Station beenden. Eine Verpflichtung, diese Geschäftsverbindungen „weiterzugeben“, ist im Tankstellenvertrag nicht enthalten. Im Übrigen scheitert eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf den Franchisenehmer bereits dann, wenn der von ihm geworbene Kundenstamm im Wesentlichen anonym und als solcher nicht ohne weiteres für den Franchisegeber nutzbar ist (BGH, a.a.O, Rn. 18). Da die Umsätze des Klägers mit Stationskreditkunden deutlich unter 1 % der Gesamtumsätze (sowohl im Wasch- als auch im Shopgeschäft) lagen, handelte es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung um einen im wesentlichen anonymen Kundenstamm.“
2. Shop
„Auch hier scheitert ein Ausgleichsanspruch in direkter Anwendung des § 89 b HGB, weil der Kläger die Shopwaren im eigenen Namen verkauft hat.
Er kann sich indes auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB berufen. Das Shopgeschäft stellte, wie der Kläger selbst ausführt, ein sog. Systemgeschäft dar, so dass er insoweit durchaus als Franchisenehmer anzusehen ist. Als solcher kann er nur zu einem Ausgleichsanspruch gelangen, wenn eine Übertragung des Kundenstammes auf die Beklagte sichergestellt war. Auch hier ergab sich allenfalls eine faktische Kontinuität des Kundenstammes, die bei einem anonymen Massengeschäft, wie es der Umsatz im Shopsortiment darstellt, nicht ausreicht (BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13). Die Existenz von Stationskreditkunden führt, wie dargelegt, nicht zu einer anderen Bewertung. Die Gründe, aus denen ein Ausgleich zu versagen ist, gelten auch insoweit, als der Kläger für die Beklagte gelegentlich Kommissionsware (genannt sind insoweit Sonnenbrillen) verkaufte.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs durch den Kläger, die er offensichtlich auf der Grundlage der Shop-Umsätze vorgenommen hat, der Notwendigkeit, händlertypische Vergütungsbestandteile zu eliminieren (z.B. BGH, Urt. vom 6.10.2010, Az. VIII ZR 209/07, NJW 2011, S. 848), nicht Rechnung trägt. Die dem Kläger von der Beklagten gewährten Margen waren offensichtlich so bemessen, daraus sowohl einen Teil der Standortpacht als auch Umsatzpacht zahlen zu können. Zumindest solche Vergütungsbestandteile können jedoch händlertypischen Charakter annehmen, weil es dem Händler – anders als dem Handelsvertreter – selbst obliegt, das Verkaufslokal vorzuhalten und etwa damit verbundene Kosten zu tragen.“
23
Wie schon am 22.9.2015 hier im Blog beschrieben, hat der BGH entschieden, dass das ausgliedernde Unternehmen für den Ausgleichsanspruch haftet.
In einer sehr interessanten Entscheidung widmet sich der BGH vielen rechtlichen Fragen zur Ausgliederung und zum Ausgleichsanspruch. In der Entscheidung geht es auch um die Fragen, ob dem Handelsvertreter ein Vetorecht gegen „seine“ Ausgliederung zusteht (ähnlich wie bei einem Arbeitnehmer), ob eine Kündigung in diesem Fall wirksam ist u.s.w..
Die Kernaussage des BGH zum Ausgleichsanspruch lautet:
„Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Ausgleichsverbindlichkeit nach § 89b HGB im Streitfall vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung begründet worden, weshalb es sich bei der Ausgleichsverbindlichkeit um eine Verbindlichkeit im Sinne des § 133 Abs. 1 UmwG handelt. Diese Verbindlichkeit resultiert aus dem vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung geschlossenen Agenturvertrag, bei dem es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt. Nicht erforderlich für die Haftung nach § 133 Abs. 1 UmwG ist, dass der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausgliederung bereits entstanden war (vgl. BAG, NZA 2015, 106 Rn. 48, zur Abspaltung).“
22
BGH erkennt gesamtschulderische Haftung bei Ausgleichsanspruch
Ein ehemaliger Vertriebsmitarbeiter der AachenMünchener Lebensversicherung streitet um seine Ausgleichszahlung.
Der Versicherungsvertreter war für viele Jahre an die AachenMünchener als Handelsvertreter angeschlossen. Die AachenMünchener verkaufte vor einigen Jahren ihren Außenvertrieb an die Deutsche Vermögensberatung Allfinanz. Der Versicherungsvertreter wollte diesen Wechsel nicht mitmachen.
Bis heute bemühte er sich um Klärung, wer denn nun von beiden – AachenMünchener oder DVAG Allfinanz – für die Zahlung des Ausgleichsanspruches zuständig ist.
Zunächst wurde die Allfinanz gerichtlich in Anspruch genommen. In Frankfurt am Main entschieden die Gerichte jedoch, dass – trotz von der Allfinanz behaupteten Ausgliederung des Vertriebes – ein Vertrag zwischen dem Handelsvertreter und der Allfinanz nicht zustande gekommen sein soll.
Anschließend wandte sich der Handelsvertreter an die AachenMünchener. Nachdem diese auch nicht zahlen wollte, wurde Klage erhoben.
In der ersten Instanz scheiterte der Handelsvertreter. In der zweiten Instanz meinte das Oberlandesgericht Köln, dass die AachenMünchener – trotz Ausgliederung – für den Ausgleichsanspruch – gesamtschuldnerisch – haften müsse.
Dieses wollte die AachenMünchener nicht einsehen und wandte sich nach diesem Urteilsspruch im Rahmen der Revision an den Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof gab bei dieser Frage nunmehr überwiegend dem Handelsvertreter Recht. Er meinte, dass es sich bei den Ausgleichsansprüchen um überwiegend schon während der Vertragslaufzeit erworbene Ansprüche handelt, für die dann auch das ursprüngliche Vertragsunternehmen (hier AachenMünchener) zuständig sei.
Der Handelsvertreter begehrte zudem Schadenersatz. Dieser wurde von allen Instanzen zurückgewiesen.
Nunmehr wurde der Rechtsstreit zur Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches an das Oberlandesgericht zurückgegeben.
Die Ausgliederung des Stamm-/Ausschließlichkeitsvertriebes der AachenMünchener auf die Allfinanz Deutsche Vermögensberatung AG erfolgte gemäß Vertrag im Dezember 2007. Ausgliederungsstichtag war der 01.07.2007.
21
Die WELT berichtete kürzlich, dass sich ein griechischer Anwalt darüber beschwert hatte, dass er in einem neuen Zivilverfahren einen Gerichtstermin erhalten hatte, und zwar für das Jahr 2031 (in Worten zweitausendeinunddreißig).
Die WELT mutmaßte darüber, dass die Richter, die diesen Gerichtstermin wahrnehmen werden, ja noch nicht einmal mit dem Jurastudium begonnen hatten. Die Richter aus dem Jahr 2031 müssten wohl heute noch Schüler sein.
Diese langen Verfahren haben wir in Deutschland Gott sei Dank nicht. Verfahren über mehrere Instanzen dauern jedoch auch hier mitunter mehr als acht Jahre und haben dann immer noch kein Ende gefunden. Dies ist traurig genug, gerade dann, wenn es um den Ausgleichsansprüche geht, die der Handelsvertreter nach Renteneintritt geltend macht. Über dieses langwierige Verfahren berichte ich morgen.
22
Die ehemals gemäß HGB verankerte Begrenzung der Provisionsansprüche ist europarechtswidrig.
Breits am 26.03.2009 hatte der Europäische Gerichtshof unter dem Aktenzeichen C–348/07 entschieden, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs bei Handelsvertretern gemäß § 89b HGB auf die Höhe der verlorenen Provisionsansprüche europarechtswidrig ist. Darin liegt ein Verstoß gegen die EU-Handelsvertreterrichtlinie (86/653/EWG), auf der § 89b HGB basiert und die einem Handelsvertreter einen Ausgleich gewährt, wenn der Unternehmer dessen Vertragsverhältnis kündigt.
Interessant ist, dass schon bei konzerninternen Umstrukturierungen die Finanzverwaltung (also das Finanzamt) einen Ausgleichsanspruch annimmt und eine Korrektur der Einkünfte des verbundenen Unternehmen eigenständig vornimmt indem es diese um einen fremdüblichen Ausgleich auf Grundlage des § 89b HGB analog erhöht und dann besteuert. Auch stellt der Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB einen Schadenersatz-, Entschädigungs- bzw. Ausgleichsanspruch im Sinne von § 8 Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) dar. Auch hier wird der Ausgleichsanspruch als spezielle steuerrechtliche Regelung herangezogen.
Mithin wirkt sich die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch steuerrechtlich aus.
Nach § 89b HGB Abs. 1 Satz 1 HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und insoweit
1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat
2. Der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Provisionsansprüche verliert, die er bei dessen Fortsetzung aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande gekommenen Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte und
3. Die Zahlung des Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.
Aus dem Wortlaut „wenn usw.“ schließt die Rechtsprechung teilweise, dass alle Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen. Nur wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es den Ausgleichsanspruch und nur „soweit“ bis zum jeweils geringeren Betrag. Der Ausgleich könne also nicht höher sein als der niedrigste Betrag der drei Nummern (Hopt in Baumbach/ Hopt, HGB Kommentar § 89b Randnr. 45, EUGH 26.03.2009 C-348/07).
In einem weiteren Schritt wird dieser nach Abs. 1 ermittelte Betrag in Absatz 2 gemessen und begrenzt. § 89b Abs. 2 stellt mithin eine Deckelung bzw. Kappungsgrenze dar. In § 89b Abs. 2 steht, dass der Ausgleich höchstens einen nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung beträgt. Die Obergrenze ist also die Jahresprovision, die nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre berechnet wird.
Die EU-Handelsvertreterrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten vor, entweder nach Artikel 17 Abs. 2 einen Ausgleichsanspruch oder nach Art. 17 Abs. 2 einen Schadensersatzanspruch zu schaffen. Deutschland hat sich für den Ausgleichsanspruch entschieden. Ein Ausgleichsanspruch gemäß Art. 17 Abs. 2a hat der Handelsvertreter, wenn und soweit
– er für die Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der den Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgegenen Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Nach Art. 17 Abs. 2b der EU-Handelsvertreterrichtlinie ist der Ausgleich ebenfalls gedeckt. Er darf nicht höher sein als der Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten 5 Jahre erhalten hat.
Der Europäische Gerichtshof hatte am 26.03.2009 unter dem Aktenzeichen C-348/07 entschieden, dass die vor der deutschen Rechtsprechung vertretene Begrenzung des Ausgleichsanspruchs der Höhe nach auf Provisionsverluste gemäß § 89b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 HGB gegen Art. 17 Abs. 2a verstoße und damit europarechtswidrig ist.
Schließlich schütze die Richtlinie insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber der Unternehmen und dieser Schutz sei nach Art. 17 zwingendes Recht. Provisionsverluste dürfen zukünftig im Rahmen des Nr. 3 nur noch eins von vielen Billigkeitsmerkmalen sein. Ausgleichsansprüche können demnach auch bestehen, wenn tatsächlich gar keine Provisionsverluste anfallen. Selbst Verträge mit Einmalprovisionen würden infolge der Entscheidung des EUGH ausgleichswidrig sein.
Ferner stellte der EUGH klar, dass Vorteile Dritter bei der Berechnung der Vorteile des Unternehmers grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfe, wenn dies nicht ausdrücklich im Handelsvertretervertrag vorgesehen ist.
EU Richtlinien sind in nationales Recht umzusetzen. Sie sollen eine optimale Wirkung entfalten (sogenannter „Effet Utile“). Deswegen sollte die richtlinienkonforme Auslegung des § 89b HGB für deutsche Gerichte möglich sein.
EU Richtlinien haben zwar keine unmittelbare Wirkung und müssen nur innerhalb einer bestimmten Frist durch eine nationale Regelung umgesetzt werden. Ein Betroffener kann sich jedoch dann auf die EU Richtlinie berufen, wenn diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist umgesetzt worden ist.
Der Gesetzgeber hatte bereits schnell auf die EUGH Entscheidung reagiert. Mit Gesetz vom 31.07.2000 wurden bisherige Nummern 2 und 3 zu einer neuen Nr. 2 zusammengefasst, wonach die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesem Kunden entgegenen Provisionen, der Billigkeit entspricht..
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„Alte“ Deutsche Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters europarechtswidrig
Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses verliert ein Handelsvertreter den von ihm aufgebauten Kundenstamm an den Unternehmer, ohne dass er für neu abgeschlossene Geschäfte eine Provision erhält. Als Ausgleich für die im Aufbau eines Kundenstamms liegende Leistung des Handelsvertreters, die nach Vertragsbeendigung zugunsten des Unternehmers weiterwirkt, sieht § 89b HGB eine zusätzliche Vergütung vor. Um den Anspruch erfolgreich geltend machen zu können, müssen für den Unternehmer erhebliche Vorteile entstehen, die aus einer Geschäftsbeziehung zu Kunden resultieren, die der Handelsvertreter während seiner Vertragszeit neu geworben oder deren Geschäftsbeziehung er wesentlich erweitert hat.
Als Kehrseite der Vorteile für den Unternehmer entstehen dem Handelsvertreter Provisionsverluste. Der Umfang der Provisionsverluste richtet sich danach, was dem Handelsvertreter ohne Vertragsbeendigung zugestanden hätte. Der Ausgleichsanspruch konnte nach bisherigem Deutschen Recht nicht höher sein als die Vorteile des Unternehmers oder der Provisionsverlust für den Handelsvertreter.
Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die deutschen Regelungen des HGB zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB) gegen europäisches Recht verstoßen (hier die Europäische Handelsvertreter-Richtlinie (Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 18.12.1986).
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entgegen dem Wortlaut des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden darf, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Nach Ansicht des EuGH führt die deutsche Regelung dazu, dass der Ausgleichsanspruch an die Höhe des Provisionsverlusts gekoppelt und somit im Zweifel nach unten angepasst wird. Dies widerspricht jedoch dem von der Richtlinie bezweckten Schutz des Handelsvertreters. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann daher nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Das bisherige deutsche Recht verstößt daher gegen die europäischen Vorgaben und muss angepasst werden. Außerdem wird sich die deutsche Rechtsprechung anpassen müssen. Die Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung zu bekommen, dürfte in manchen Fällen wahrscheinlicher werden.
Die Entscheidung des EuGH im Volltext
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Semen, Pächter einer Tankstelle, und der Deutschen Tamoil GmbH (im Folgenden: Deutsche Tamoil) über die Höhe des Ausgleichs wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, den dieses Unternehmen Herrn Semen aufgrund der Kündigung seines Vertrags schuldet.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 17 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.
(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit
– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.
b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Aus-gleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.
c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
…“
Nationales Recht
4 § 89b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung setzt Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie in das nationale Recht um. Er lautet:
„Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertrags-verhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,
2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und
3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
5 Herr Semen war vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Pächter einer Tankstelle der Deutschen Tamoil in Berlin. Dort verkaufte er im Namen und für Rechnung dieses Unternehmens vor allem Kraftstoffe und Schmierstoffe, aber auch Telefonkarten unterschiedlicher Netzbetreiber, die es ihm zur Verfügung stellte.
6 Die Deutsche Tamoil gehört zur staatlichen libyschen Oilinvestgruppe, die in Deutschland ein Tankstellennetz von etwa 250 Stationen, sowohl unter der A-Marke „Tamoil“, ihrer Firma, als auch unter der – preisgünstigeren – B-Marke „HEM“, be-treibt.
7 Die Tankstelle von Herrn Semen war eine „HEM“-Station. Seine Provision bemaß sich bei Kraftstoffen nach der verkauften Menge („Literprovision“), bei Ölen nach dem Umsatz. Tankten Besitzer von Tankkarten, denen die Deutsche Tamoil Nachlässe gewährte, stand Herrn Semen nur eine geringere Provision zu.
8 Das Landgericht Hamburg wurde zur Entscheidung über den Herrn Semen zu zahlenden Ausgleich nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der Deutschen Tamoil angerufen.
9 Nach der deutschen Rechtsprechung haben die drei Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 HGB kumulativen Charakter und begrenzen einander. Der Ausgleich kann daher nicht höher als der niedrigste Betrag sein, der sich unter einer der drei Nummern ergibt.
10 Gestützt auf diese Rechtsprechung neigt das Landgericht dazu, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, nach der Provisionsverluste des Handelsvertreters nur ein Element im Rahmen der Billigkeitsprüfung darstellen, auch zulässt, die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen als Obergrenze des Ausgleichs zu betrachten.
11 Da das Landgericht Hamburg im Hinblick auf diese Auslegung des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie jedoch Zweifel hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vereinbar, dass der Ausgleichs-anspruch des Handelsvertreters durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind?
2. Gehören hierzu bei einem Konzern, dem der Unternehmer angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
12 Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
13 Hierzu ist einleitend festzustellen, dass Art. 17 der Richtlinie mit dem Blick auf die Ziele dieser Richtlinie und das damit eingeführte System auszulegen ist (vgl. Ur-teil vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali, C-465/04, Slg. 2006, I-2879, Randnr. 17).
14 Weiter steht fest, dass die Richtlinie die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Handelsvertretervertrags zum Ziel hat. So soll sie insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmern schützen und legt zu diesem Zweck u. a. in den Art. 13 bis 20 Regeln über Abschluss und Beendigung des Handelsvertreter-vertrags fest (Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnrn. 18 und 19).
15 Was die Beendigung des Vertrags betrifft, wird mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie ein System geschaffen, das den Mitgliedstaaten ermöglicht, zwischen zwei Lösungen zu wählen. Sie haben nämlich die erforderlichen Maßnahmen dafür zu ergreifen, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrags entweder Anspruch auf einen nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 2 bestimmten Ausgleich oder auf nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 3 bestimmten Schadensersatz hat.
16 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich für die in Art. 17 Abs. 2 vorgesehene Lösung entschieden.
17 Nach ständiger Rechtsprechung ist das mit Art. 17 der Richtlinie geschaffene System, insbesondere was den Schutz des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung betrifft, zwingendes Recht (Urteil vom 9. November 2000, Ingmar, C-381/98, Slg. 2000, I-9305, Randnr. 21, und Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 22).
18 Daher haben die Mitgliedstaaten, was den Ausgleich wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses betrifft, nur innerhalb des durch die Art. 17 und 18 der Richtli-nie festgelegten Rahmens einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Methoden zur Berechnung des Ausgleichs (Urteil Ingmar, Randnr. 21, und Urteil Honyvem In-formazioni Commerciali, Randnr. 35).
19 Das in Art. 17 der Richtlinie geregelte Verfahren läuft in drei Stufen ab. Auf der ersten geht es zunächst um die Quantifizierung der Vorteile des Unternehmers aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie. Auf der zweiten Stufe wird dann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich geprüft, ob der Betrag, der sich auf der Grundlage der genannten Kriterien ergeben hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Handelsvertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht. Schließlich wird auf der dritten Stufe der Ausgleichsbetrag an der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Höchstgrenze gemessen, die nur dann relevant ist, wenn der sich aus den vorstehenden beiden Berechnungsstufen ergebende Ausgleichsbetrag sie übersteigt.
20 Da die Provisionsverluste demnach nur einen von mehreren Gesichtspunkten darstellen, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung relevant sind, ist es Sache des nationalen Gerichts, auf der zweiten Stufe seiner Bewertung zu prüfen, ob der dem Handelsvertreter gewährte Ausgleich letztlich billig erscheint und ob und gegebenenfalls inwieweit er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anzupassen ist.
21 In Anbetracht des in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils dargelegten Ziels der Richtlinie ergibt sich aus diesem System, dass eine Auslegung von Art. 17 der Richt-linie, wie sie das nationale Gericht vertritt, nur zulässig ist, wenn sich ausschließen lässt, dass sie sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweist.
22 In diesem Zusammenhang ist außerdem festzustellen, dass der Gerichtshof bereits auf den Bericht über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie (KOM[96] 364 endg.) Bezug genommen hat, den die Kommission am 23. Juli 1996 vorgelegt hat. Dieser Bericht enthält detaillierte Angaben über die tatsächliche Berechnung des Ausgleichs und soll eine einheitlichere Auslegung dieser Vorschrift erleichtern (vgl. Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 35). So werden in diesem Bericht verschiedene Faktoren angeführt, die bei der Billigkeitsprüfung in der Praxis zu be-rücksichtigen sind und von denen einige für einen höheren Ausgleich sprechen.
23 Im Licht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass der Gestaltungsspiel-raum, über den die Mitgliedstaaten verfügen, um den dem Handelsvertreter bei Vertragsbeendigung zustehenden Ausgleich aus Billigkeitsgründen gegebenenfalls an-zupassen, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass dieser Ausgleich ausschließlich nach unten angepasst werden darf. Denn eine solche Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie, die es ermöglichte, jede Erhöhung dieses Ausgleichs von vornherein auszuschließen, wäre eine Auslegung zum Nach-teil des Handelsvertreters, dessen Vertrag endet.
24 Daraus folgt, dass die in Randnr. 9 des vorliegenden Urteils dargelegte deutsche Rechtsprechung, die es von vornherein ausschließt, dass der Ausgleich im Rahmen der Anwendung des Billigkeitskriteriums bis zur Höhe der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Obergrenze erhöht wird, wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher sind als die geschätzten Provisionsverluste des Handelsvertreters, fehlgeht.
25 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unter-nehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Zur zweiten Frage
26 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichs-anspruchs des Handelsvertreters zu berücksichtigen sind.
27 Für die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richt-linie ist zunächst auf den Wortlaut der Bestimmung abzustellen.
28 Insoweit ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung ausschließlich auf die Vertragsbeziehungen „Kunden/Unternehmer“ und die Vorteile des „Unternehmers“ aus den Geschäften mit diesen Kunden bezieht. Die am Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie orientierte Auslegung führt daher zu der Schlussfolgerung, dass nach dieser Bestimmung Vorteile Dritter bei der Berechnung der „Vorteile des Unternehmers“ nicht berücksichtigt werden dürfen.
29 Diese Auslegung – ausschließlich die Beziehung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter zu berücksichtigen – wird durch die systematische Auslegung dieser Bestimmung bestätigt.
30 Die in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Obergrenze des Ausgleichsbetrags wird nämlich anhand der vom Handelsvertreter erhaltenen Vergütungen berechnet. Wie die italienische Regierung vorgetragen hat, werden die Vergütungen, auch wenn der Unternehmer einem Konzern angehört, stets ausschließlich vom Unternehmer und nicht von den anderen Konzerngesellschaften bezahlt.
31 Schließlich ist festzustellen, dass die Richtlinie nach ihrem zweiten Erwägungs-grund die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll. Dieses Ziel schließt es grundsätzlich aus, Vorteile Dritter zu berücksichtigen, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter dies nicht vorsieht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Handelsvertretervertrag insoweit nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.
32 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.
Kosten
33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisions-verluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, falls der Unter-nehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vor-teile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.
20
Gericht
EuGH
Aktenzeichen
C-348/07
Datum
26.03.2009
Vorinstanzen
Rechtsgebiet
Handelsrecht, Europarecht
Schlagworte
Handelsvertreter, Ausgleichsanspruch, Provision, Konzern
Leitsätze
1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin aus-zulegen, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.
(gerichtliche Leitsätze)
17
Ein Handelsvertreter bemühte sich um den Ausgleichsanspruch. Was macht man am besten? Richtig, man sucht einen Anwalt auf. Besser noch zwei, am besten gleich drei.
Der Ausgleichsanspruch ist ein schwieriges Thema. Vielleicht wäre die Beratung des einen oder anderen Anwaltes sinnvoll, zu sagen, dass man einfach davon keine Ahnung hat. Dann wäre uns Anwälten folgende Geschichte erspart geblieben:
„Ich hatte hierzu drei anwaltliche Beratungen. Im ersten Fall wurden mir Ansprüche in Höhe von ca. 250 T€ in Aussicht gestellt, man wollte sofort den Honorarsatz danach bemessen. Im zweiten Fall überließ ich dem Anwalt alle Unterlagen im Original zur Prüfung. Zwei Wochen später war seine Kanzlei geschlossen. Meine Unterlagen habe ich inzwischen wiederbekommen, nach wochenlangen Recherchen über den Aufenthaltsort des Anwalts. Der dritte Anwalt legte den Streitwert auf ca. 100.000 € fest, erstellte die erste Honorrechnung und informierte mich schriftlich, das eine deratig hohe Forderung nicht durchzusetzen sei.“
Übrigens: Die Ansprüche bestehen und wären fast verwirkt.