Stornobekämpfung

Keine Einheitlichkeit in der Rechtsprechung bei Provisonsklagen

Nach vielen Jahren und vielen Provisionsklagen komme ich zu der Feststellung, dass es eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Bezug auf Klagen um Provisionen nicht gibt. Vielmehr hagelt es an Fehlurteilen, mal zugunsten des Vertriebes und mal zugunsten des Handelsvertreters.

Den Anfang machte das Landgericht Tübingen. Dort bereits kam es zu mehreren, sich widersprechenden Entscheidungen.

Das Amtsgericht Tübingen wies am 11.04.2015 eine Klage auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen der DVAG ab. Das Landgericht Tübingen urteilt die Provisionen in einem anderen Verfahren aus, während das Landgericht Tübingen aber auch eine Klage der DVAG auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen abwies.

Viel moderater ging damit das Oberlandesgericht Stuttgart um in einem Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Landgerichts Tübingen, in dem eine sehr differenzierte Auffassung vertreten wurde. Die Parteien schlossen daraufhin einen angemessenen Vergleich.

Oft sind Gegenstand solcher Provisionsrückzahlungsverfahren mehrere stornierte Versicherungsverträge. Deshalb müsste man sich eigentlich jeden einzelnen stornierten Vertrag ansehen, ob die Stornoberechnung für jeden einzelnen Vertrag richtig und nachvollziehbar ist, und ob bei jedem einzelnen Vertrag auch die Stornobekämpfung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Möglicherweise wären je nach Vertrag hier sogar unterschiedliche Maßstäbe zum Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen anzusetzen.

Zu dieser differenzierten Auffassung gelang das Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses richtig angewendet hieße oft auch ein differenziertes Urteil. Das gibt es aber nicht.

Es gibt hier viel Schwarz-Weiß-Malerei. Obgleich es in vielen Fällen falsch ist, was kürzlich auch ein Richter am Landgericht Limburg bestätigt hatte, neigen viele Gerichte dazu, entweder den vollen Rückzahlungsanspruch auszurteilen oder die Klage auf Rückzahlung einer Provision komplett abzuweisen.

Dabei sind die Erfolgsquoten der einzelnen Vertriebe durchaus unterschiedlich. Einige Vertriebe haben eine derart schlechte Buchführung, sodass sie keine Chance haben, einen Rückzahlungsprozess zu gewinnen.

In Sachen Uneinheitlichkeit setzte kürzlich die Hanauer Justiz eine Krone auf und machte der uneinheitlichen Rechtsprechung aus Tübingen Konkurrenz. Am 02.01.2016 wurde nämlich ein Vermögensberater vom Amtsgericht Hanau zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen verurteilt. Dagegen wurde Berufung eingelegt.

Das Amtsgericht Hanau befindet sich unter einem Dach mit dem Landgericht Hanau. Das Landgericht Hanau hatte dagegen kürzlich zwei Provisionsrückzahlungsklagen abgewiesen. Dies geschah am 16.10.2015 in einem Berufungsverfahren und am 24.11.2015 in einem Teilurteil, in dem die DVAG gleichzeitig zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt wurde. Auch gegen diese Entscheidung wurde allerdings ein Rechtsmittel erhoben.

Uneinheitlicher  kann eine Rechtsprechung kaum sein.

LG Tübingen und die Rechtsprechung zur Stornobekämpfung

Am 11.04.2014 entschied das Amtsgericht Tübingen, dass Provisionsvorschüsse nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn die Nachbearbeitung nicht ausreichend ist.

Dem schloss sich nunmehr das Landgericht Tübingen mit Beschluss vom 02.02.2015 an und führte wie folgt aus:

Der Kammer sind von der Klägerin zitierten Urteile des Landgerichts Tübingen bekannt. Sie begründen jedoch weder eine Bindungswirkung noch das Bedürfnis, die Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen zu vereinheitlichen. Gleiches Ergebnis gilt für die von der Klägerin angeführten aktuellen Entscheidungen der Landgerichte München II und Ulm. Die Kammer sieht sich nicht veranlasst, von ihrer ständigen Rechtsprechung hinsichtlich der Nachbearbeitungsbemühungen des Unternehmens abzuweichen. Soweit die Klägerin die Anforderung der Kammer als nicht nachvollziehbar bezeichnet und ihre diesbezüglichen Ausführungen – insbesondere in der Berufungsbegründung vom 17.07.2014 – verweist, geht dies fehl. Die Kammer hat keineswegs gerügt, dass das von der Klägerin entwickelte kombinierte Erinnerungs- Mahn- und Kündigungsverfahren grundsätzlich unzureichend ist. Unzureichend ist vielmehr, dass sich die Klägerin darauf beschränkt, dieses Verfahren im Allgemeinen darzustellen und pauschal zu behaupten, es immer – also auch im Fall der Klageforderung nach sich ziehenden stornierten Verträge – anzuwenden. Daran ändert die der Berufungsbegründung beigefügte tabellarische Übersicht nichts, mit der exemplarisch für die darin benannten Versicherungsnehmer die von der Klägerin zur Stornobekämpfung ergriffenen Maßnahmen aufgezeigt werden sollen. Die Vorlage dieser Übersicht und deren schriftsätzliche Erläuterung setzen jedoch den von der Klägerin zu verlangenden substantiierten Vortrag nicht. Es ist auf dieser Grundlage zwar durchaus selbsterklärend, dass diejenigen Verträge nachbearbeitet worden sein sollen, die in der entsprechenden Spalte der Übersicht die Bemerkung „Herabsetzung“ aufweisen. Dass es dafür zu Gesprächen und einer Verständigung zwischen den jeweiligen Versicherungsnehmer und einen von der Klägerin beauftragen Mitarbeiterin gekommen sein muss, versteht sich von selbst. Zivilprozessualen Anforderungen genügt dies aber nicht. Den Beklagten mögen derartige Übersichten aus seiner Tätigkeit für die Klägerin vertraut sein. Dessen ungeachtet sind die konkreten Nachbearbeitungsbemühungen der Klägerin hieraus gerade nicht ersichtlich, sodass sich der Beklagte hierzu nicht einlassen kann und muss.

Amtsgericht Obernburg zu den Pflichten der Nachbearbeitung

Am 04.11.2014 erließ das Amtsgericht Obernburg folgenden Beschluss:

„Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe dem Beklagten Provisionsabrechnungen zugesandt und der Beklagte habe insoweit eine Prüf- und Rügepflicht, was zu einem Anerkenntnis des Saldos führt, ist dies unzutreffend.

 Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in einem Urteil vom 30.04.1999 ( 16 U 74/98) in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung ausgeführt:

Ein Saldoanerkenntnis eines Handelsvertreters ist gemäß § 87 c V HGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift sind die Informationsrechte des Handelsvertreters unabdingbar. Die Vorschrift erfasst nicht nur Klauseln, welche die Rechte des Handelsvertreters auch nur mittelbar beschränken oder ausschließen, in dem sie ein Anerkenntnis durch widerspruchslose Entgegenahme einer Abrechnung fingieren. Der Unternehmer kann auch nicht durch Vereinbarungen in sonstiger Weise die Rechtsverfolgung oder Verteidigung des Handelsvertreters gegen Provisionsrückbelastungen in einer gegen den Sinn und Zweck des § 87 C Hintergrund verstoßenen Weise beschränken. Im Hinblick auf § 87 c V HGB dürfen Provisionsansprüche des Handelsvertreters auch nicht in ein Kontokorrentverhältnis mit fingiertem Anerkenntnis eingestellt werden.

 Wenn ein Versicherungsunternehmen einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich einer bereits teilweise ausgezahlten Provision für ein noch nicht vollständig durchgeführtes Geschäft geltend macht, hat es die in § 87 h Abs. 3 Satz 2 HGB genannten Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Dazu gehört insbesondere die Darlegung, dass das Unternehmen im Rahmen der ihm zumutbaren Nachbearbeitung mit allen angemessenen Mitteln versucht hat, den Prämienschuldner zur Prämienzahlung zu veranlassen.

 Auch das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in zwei Entscheidungen (12 U 96/09 und 3 U 20/09) betont, dass der Versicherer für das Vorliegen der Voraussetzung der Rückzahlungspflicht darlegungs- und beweislastig ist. Der Versicherer muss  für jede einzelne Provisionsrückforderung die Voraussetzungen des § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB darlegen und gegebenenfalls beweisen (ebenso Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.03.2004, 35 W 2/04). Dazu gehört nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm, dass der Versicherer in jedem Einzelfall die Gründe der Beendigung des Vertrages, Zeitpunkt und Art der Mahnung und der Unterrichtung des Handelsvertreters über die Stornogefahr darzulegen hat. Sie hat weiter die Höhe der zurückzuzahlenden Abschlussprovisionen im Einzelfall vorzurechnen.

 Diesen Anforderungen genügt das bisherige Vorbringen der Klägerin nicht. Die Vorlage der einzelnen Monatsabrechnungen, in denen die Art der einzelnen Verträge nur durch Textkürzel individualierbar wird und auch wieder die gezahlte Provision, noch die Prozentsätze der gezahlten Prämien ersichtlich sind, erfüllt nicht die genannten Anforderungen an einer substantiierten Darlegung des Rückforderungsanspruches. Aus den Monatsabrechnungen ist nicht erkennbar, wie sich die Provisionsrückforderung errechnet, da die ursprüngliche Prämie nicht ersichtlich ist und auch der Provisionssatz nicht ersichtlich ist. Eine Darlegung der geforderten Nachbearbeitungsbemühungen ist aus den Provisionsabrechnungen überhaupt nicht ersichtlich.

 Der Klägerin wird aufgegeben, dem Gericht binnen sechs Wochen eine Liste der Verträge vorzulegen, die die Rückforderung der Prämien begründen sollen.

 In dieser Liste sind aufzunehmen:

 Versicherungsvertrag mit Nummer

Versicherungsnehmer

Die Höhe der ursprünglich erhaltenen Provision

Den Prozentsatz der Prämie

Der Grund der Vertragsbeendigung

Datum der Mahnung,

Empfänger der Stornogefahrmitteilung

Sowie die Höhe der Rückforderung, bei anteiliger Rückforderung jeweils unter Angabe des Anteils der Gesamtprovision

Ein bisschen Stornobekämpfung

Am 22.01.2015 wurde vor einem Amtsgericht darüber gestritten, ob ein HB Provisionen zurückzahlen soll, die er zuvor als Vorschuss erhalten hat.

Fraglich war, ob der klagende Vertrieb entsprechende Stornobekämpfungsmaßnahmen durchgeführt hatte. Im Zuge der Beweisaufnahme ergb sich, dass der Vertrieb Mitteilungen erhalten hatte, dass die entsprechende Versicherung regelmäßig Mahn- oder Erinnerungsschreiben übersendet, wenn ein Kunde nicht mehr zahlt.

Automatisch ging dann innerhalb des Betriebes auch jeweils ein Besuchsauftrag heraus. Wenn der Vertriebsmitarbeiter nicht mehr für den Vertrieb tätig war, erhielt den Besuchsauftrag der jeweilige Betreuer als Bestandsnachfolger.

Dann wurden die Kunden befragt. Diese schilderten ein buntes Bild aller typischen Abläufe, wenn ein Handelsvertreter den Vertrieb verlässt.

1.

Viele Kunden schilderten, dass man sie einfach, nach dem der ursprüngliche Ansprechpartner aus dem Vertrieb ausgeschieden war, allein gelassen habe. Man habe dort keinen Ansprechpartner mehr gehabt. Man sei weder angeschrieben noch kontaktiert worden. Es gab keinen Anruf und auch keinen Besuch.

2.

Ein Kunde schilderte, dass es doch einen Anruf gegeben hatte. In diesem Anruf ging es wohl aber nicht darum, um Verträge zu retten, sondern nur darum, um Informationen zu bekommen, ob der ausgeschiedene Berater Abwerbungen vornimmt. Nur danach wurde nämlich konkret gefragt.

Dieser angerufene Kunde fand den neuen Berater jedoch unsympatisch und entschied sich dazu, von dem Vertrieb in Zukunft nicht mehr betreut zu werden.

3.

Eine Kundin sagte, sie hänge sehr an dem alten Berater und entschied sich deshalb dazu, diesem zu der neuen Versicherung zu folgen. Sie hatte deshalb aus eigenem Antrieb sämtliche alte Versicherungen gekündigt und neue bei dem Berater abgeschlossen.

Etwas anderes kam für sie auch gar nicht in Betracht. Wenn jemand angerufen hätte, um die von ihr stornierten Verträge zu retten, hätte sie dies abgelehnt.

4.

Einige Kunden waren sich da unsicher. Sie schilderten, dass sie keinen Ansprechpartner mehr hatten und deshalb storniert hätten. Wenn jemand angerufen hätte und ein gutes Angebot vorgelegt hätte, hätte man sich vielleicht auch dazu entschieden, die alten Verträge zu erhalten.

Einige Kunden sagten, sie hätten nach dem Ausscheiden „ihres“ Beraters im Internet nach günstigeren Alternativen umgesehen. Dort hatten sie festgestellt, dass es günstigere Anbieter der gleichen Versicherungsleistungen gibt. Deshalb hatte man sich dazu entschieden, die alten Verträge zu lösen.

Die Beweisaufnahme spiegelte ein typisches Bild der Abläufe wider, wenn ein Berater ausscheidet. Wer glaubt, dass der ausscheidende Berater oder der Bestandsnachfolger aggressiv die Kunden zur Umdeckung drängen würde, wurde im Rahmen der Beweisaufnahme eines Besseren belehrt. Aggressives Abwerben oder Umdecken hat es nämlich nicht gegeben.

Das Gericht muss nun darüber entscheiden, ob die Stornobekämpfungsmaßnahmen ausreichend waren. Es hat ja – ein bisschen – Stornobekämpfung gegeben. Der Bundesgerichtshof hatte festgelegt, dass es immer eine Frage des Einzelfalles sei, welche Stornobekämpfungsmaßnahmen genügen würden.

LG Tübingen: Wenn keine Stornobekämpfung, dann gibt es auch keine Vorschüsse zurück

Am 24.06.2013 entschied das Landgericht Tübingen darüber, ob einem Vertrieb Ansprüche aus Rückzahlung von Provisionen zustehen.

Das Landgericht musste die Angelegenheit im Rahmen einer Berufung prüfen. Bereits am Amtsgericht Tübingen war der Vertrieb gescheitert.

Dazu das Gericht: Gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters soweit der Unternehmer das vom Vertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat. Es entfällt, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet, § 87 a Abs. 2 HGB. Sind dem Handelsvertreter in einem solchen Falle bereits Provisionen oder Vorschüsse ausgezahlt worden, sind diese zurückzubezahlen (§ 87 a Abs. 2, 2.Satz HGB). Diese Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtleistung des Kunden ergeben, treten allerdings nur dann ein, wenn der Unternehmer seinerseits seinen Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Geschäft im vollem Umfang nachgekommen ist. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt mithin nur für den Fall und damit einhergehend entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers, der einen Vorschuss gezahlt hat, erst und nur dann, wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Dies ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Unternehmer / Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hat. Ihm obliegt es, dass mögliche Unzumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsablösung abzuwenden, wobei Art und Umfang der dem Unternehmer / Versicherer abzuverlangen Bemühungen auch und gerade im Licht der gegenüber dem Versicherungsvertreter bestehenden Treuepflicht und insbesondere der Pflicht, auf dessen Provisionsinteresse Rücksicht zu nehmen, zu bestimmen ist.

Maßstab für das, war dem Unternehmer im Falle eigener Bemühungen gegenüber dem Versicherungsunternehmer abzuverlangen ist, ist dasjenige, was der Vertreter selbst und vernünftigerweise zur Erhaltung seines Provisionsanspruchs getan hätte, wenn Nachbearbeitung überlassen worden wäre.

Im Regelfall ist es erforderlich, dass der Unternehmer / Versicherer, wenn er sich entschließt, eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr zu ergreifen, aktiv tätig wird und den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anhält. Die bloße Übersendung eines Mahnschreibens als Maßnahme der Stornoabwehr reicht unter dem Gesichtspunkt der dem Unternehmer gegenüber dem Vertreter obliegenden Pflicht, Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Versicherungsvertreters zu nehmen, im Regelfall nicht aus (Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 01.12.2010 –VIII ZR 310/09).

Ist die Nachbearbeitung vom Unternehmer nicht oder nicht hinreichend durchgeführt worden, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und sei der Provisionsanspruch des Vertreters endgültig entstanden.

Verlangt ein Unternehmer wegen Stornierung von Versicherungsverträgen die Rückzahlung geleisteter Provisionsvorschüsse, so muss er in jedem Einzelfall (auch wenn die Nichtzahlung der Erstprämie in Rede steht; vergleiche etwa Oberlandesgericht Brandenburg Urteil 07.10.2010 Aktenzeichen 12 U 96709, und Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21.02.2007 Aktenzeichen I-16 W 70/06) nachvollziehbar darlegen und im Streitfall auch beweisen, seiner Pflicht zur Nachbearbeitung genügt zu haben. Dabei muss er Vortrag erklären lassen, dass der Unternehmer, soweit er dem Versicherungsvertreter keine Stornogefahrmitteilungen hat zukommen lassen, sich gegenüber dem Versicherungsnehmer rechtzeitig und mit dem gebotenen Engagement um einen Vertragserhalt bemüht hat. Er muss also, sofern er auf seine eigenen Bemühungen berufen will, in jedem Fall konkret vortragen, wann er aktiv geworden ist und was er unternommen hat, um den Vertag zu retten.

Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist der Vortrag der Klägerin nicht geeignet, Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten zu begründen. Er lässt eine genügende Nachbearbeitung der ins Storno gegangenen Verträge nicht erkennen.

Soweit sich die Klägerin in verschiedenen Fällen darauf berufen hat, allein mit einer Kombination aus Erinnerungs-, Mahn- und Kündigungsschreiben ihrer Nachbearbeitungspflicht nachgekommen zu sein, vermag den Angaben von Gründen, warum in den jeweiligen Fällen aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine persönliche Kontaktaufnahme nicht erforderlich gewesen ist bzw. nicht erfolgsversprechender gewesen wäre, nicht gefolgt zu werden. Wie oben ausgeführt, muss die Nachbearbeitung notleidender Verträge ausreichend sein und nachdrücklich betrieben werden, wobei im Regelfall die Versendung eines einfachen Mahnschreibens nicht genügt. Entsprechend kann es regelmäßig auch nicht genügen, ein Schreiben, dass der Sache nach nichts anderes als ein einfaches Mahnschreiben darstellt, wiederholt an den Versicherungsnehmer zu übermitteln. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich eine persönliche Rücksprache mit dem Versicherungsnehmer, entweder im Wege eines Besuchs  oder – dies auch bei sogenannten Kleinstornos – auf dem schnellen, Effektivität versprechenden und in der Regel preisgünstigen Wege eines Telefonats, um die Gründe zu erfragen, aus denen der Vertrag notleidend geworden ist und – wenn die Gründe stichhaltig sind – gemeinsame mit dem Versicherungsnehmer nach einer vertragserhaltener Lösung zu suchen oder – wenn die Gründe nicht stichhaltig sind – , diesen sehr ernsthaft und nachdrücklich zu einer Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anzuhalten.

Nur und erst dann, wenn ein persönlicher Kontakt im Einzelfall nicht hergestellt werden kann, ist es angezeigt, eine schriftliche Kommunikation zu versuchen, und zwar mit einem deutlich über ein bloßes Mahnschreiben hinaus gehenden Inhalt. Selbst wenn man dies aber anders sehen sollte, muss der Inhalt bloßer an dem Versicherungsnehmer gerichtetes Schreiben – um der notwendigen Nachbearbeitung zu genügen – in jedem Falle deutlich über den Inhalt eines Mahnschreibens hinausgehen. Dies lässt sich im konkreten Fall im Vortag der Klägern nicht entnehmen.

Im Ergebnis hat danach das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

Ebenso entschied das Landgericht Tübingen in einem weiteren Beschluss vom 22.10.2013.

LG Düsseldorf zur Stornobekämpfung

Immer wieder stellt sich vor Gericht die Frage, inwieweit ein Betrieb oder ein Versicherer nach Ausscheiden des Handelsvertreters einen Vertrag nachbearbeiten muss, der stornogefährdet ist.

Der BGH hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das Versicherungsunternehmen gegenüber seinem Mitarbeiter eine Treuepflicht trifft und er auch Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Mitarbeiters zu nehmen hat. Zu deren Erfüllung obliegt es dem Versicherungsunternehmen, die nach den Umständen des Einzelfalles gebotenen Maßnahmen zu Rettung notleidend gewordener Verträge zu treffen. Dazu muss er entweder eigene nach Art und Umfang ausreichende Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder dem Versicherungsvertreter durch eine Stornomitteilung Gelegenheit geben, notleidend gewordene Verträge selbst nachzuarbeiten (BGH Urteil vom 19.11.1982 – II. ZR 125/80).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ausreichende Maßnahmen ergriffen worden sind, liegt beim Versicherungsunternehmen (BGH VersR 2005, 1078).

Dies sieht auch das Landgericht Düsseldorf in einem Beschluss vom 09.05.2014 so. Es meint jedoch, eine Pflicht zur Nachbearbeitung bestehe dort nicht, wo sogenannte Kleinststornos vorliegen. Diese würden von der heutigen Rechtsprechung in einer Größenordnung von etwa 100 € angegeben werden (Landgericht Hannover vom 18.08.2010, Aktenzeichen 10 O 15/09).

Das Landgericht Düsseldorf will für Verträge, bei denen es um nicht mehr als 100 € Rückforderung Provisionen geht, weder eine Nachbearbeitungspflicht noch eine Informationspflicht sehen.

 

Beschluss Landgericht Düsseldorf vom 09.05.2014

Klage auf Rückforderung von Provisionsvorschüssen wegen fehlender Nachbearbeitung abgewiesen

Das Amtsgericht Tübingen wies am 11.04.2014 eine Provisionsrückzahlungsklage eines großen Vertriebes ab.

Die Parteien stritten um die Rückzahlung vorfinanzierter Provisionen. Diese hatte der Beklagte als Handelsvertreter erhalten.

Der Vertrieb meinte, die Höhe der Rückzahlungsansprüche resultiere aus der Kontokorrentabrechnung. Im Übrigen sei die Höhe der Rückzahlung hinreichend dargelegt.

Der Beklagte rügte, dass die Höhe des geltend gemachten Anspruches nicht dargelegt sei und im Übrigen Nachbearbeitungspflichten verletzt wurden. Dazu das Gericht:

„Wie vom Beklagten zutreffend gerügt, lässt der klägerseitig geführte Kontokorrent/Saldo nicht erkennen, wie sich dieser Endbetrag hinsichtlich der in ihm verborgenen Einzelforderungen zusammensetzt.

 Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis handelt es sich um ein mehrstufiges Handelsvertreterverhältnis, in welchem der Handelsvertreter als Vertragspartner des vertretenden Unternehmens gleichzeitig Unternehmer im Verhältnis zum Untervertreter ist. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht sonach gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB sobald und soweit der Unternehmer (der Auftraggeber des Hauptvertreters) das vom Vertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.

 Diese Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtleistung des Kunden ergeben, treten allerdings nur dann ein, wenn der Unternehmer seinerseits seiner Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Geschäft in vollem Umfang nachgekommen ist. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt mithin nur für den Fall und damit einhergehend entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers, der einen Vorschuss gezahlt hat, erst und nur dann, wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Das ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Unternehmer/Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hatte. Ihm obliegt es mithin, das Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsauflösung abzuwenden.

 Ist die so genannten Nachbearbeitung seitens des Unternehmers nicht oder nicht hinreichend durchgeführt worden, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und als sei der Provisionsanspruch des Vertreters somit endgültig entstanden.

 Der Regelungszusammenhang des § 87 a HGB gilt auch im Verhältnis von Haupt- und Untervertretern, mithin im Verhältnis der Parteien.

 Die Benennung eines entsprechenden Kontokorrentabschlusses genügt der Darlegungslast nicht. Vielmehr muss ein wegen Stornierung geltend gemachter Provisionsrückzahlungsanspruch bezogen auf jeden einzelnen Fall nachvollziehbar dargelegt werden. Dies gilt, wenn der Gesamtanspruch die Summe einer Vielzahl von Einzelrückforderungsbeträgen darstellt, losgelöst von der grundsätzlichen Darlegungslast auch aus allgemeinen zivilprozessualen Gründen: Nur im Falle einer Bestimmung der den Gesamtsaldo bildenden Einzelforderungen kann eine rechtskräftige Entscheidung ergehen.

 Wie ebenfalls beklagtenseits zutreffend gerügt, hat die Klägerin auch nicht hinreichend dargetan, ihre Pflicht/Obliegenheit zur Nachsorge und Nachbearbeitung der stornierten Verträge im mehrstufigen Vertretungsverhältnis genügt zu haben. Im Falle diesbezüglich geltend gemachter eigener Bemühungen obliegt es dem Unternehmer/Hauptvertreter, in jedem Einzelfall konkret vorzutragen, wann er im Zuge der gebotenen Nachbearbeitung aktiv geworden ist und was er unternommen hat, um den jeweiligen Vertrag zu retten.

 Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, gemessen an den vorgenannten Darlegungsgrundsätzen, den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zu begründen, da der – pauschale – Vortrag der Klägerin eine Beurteilung, ob eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung im jeweiligen Einzelfall erfolgt ist, nicht zulässt.

 Die Klägerin vermag sich schließlich auch nicht darauf zu berufen, der Beklagte habe, da er dem Kontokorrentabschluss nicht widersprochen habe, ein selbständiges Saldoanerkenntnis (§ 781 BGB) abgegeben, welches eine Darstellung der den Saldo zusammensetzenden Forderungen entbehrlich machen würde.

 Auch bei Annahme eines Saldoanerkenntnisses durch widerspruchslose Hinnahme der Abrechnung stünde der Wirksamkeit des Anerkenntnisses § 87 c Abs. 5 HGB entgegen. Danach sind die Informationsrechte des Handelsvertreters unabdingbar. Die Vorschrift erfasst auch Klauseln, welche die Rechte des Handelsvertreters auch nur mittelbar beschränken oder ausschließen, in dem sie ein Anerkenntnis durch widerspruchslose Entgegennahme einer Abrechnung fingieren.

 Ob dem Rechenwerk der Klägerin über dies fehlerhaft Provisionsansätze zugrunde liegen, die zur Unschlüssigkeit und Unbegründetheit des Klagebegehrens führten, kann dahingestellt bleiben.“

 Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 11.04.2014

Neues BGH-Urteil zur Stornobekämpfung

Der BGH hat frische und für Versicherungsvertreter ermutigende, neue Grundsätze aufgestellt (jedoch auch alte Prinzipien bestätigt).

Neu ist:

1. Der Versicherer hat nur 2 Wochen nach Kenntnis der tatsächtlichen Stornogefahr Zeit, Stornobekämpfungsmaßnahmen duchzuführen!

2. Wenn er die Stornobekämpfung durch den Bestandsnachfolger durchführen lässt, genügt es nicht, sich darauf zu verlassen, dass dieser das auch tatsächlich macht.

Mehr dazu bald hier im Blog.